Salzkorn: Neue Vorzeichen
Die Städtischen Werke Lenzburg (SWL) haben sich ihr 100-Jahr-Jubiläum wohl etwas anders vorgestellt. Ein Jahr «voller Energie» und ein «Startschuss in eine grundlegend veränderte Energiezukunft» wurden verkündet. Beides ist eingetroffen, allerdings unter neuen, negativen Vorzeichen. Der (zurecht) stolze Rückblick auf Vollbrachtes und Erreichtes und der dynamische Aufbruch zu neuen Ufern werden von historischen Erschütterungen in der Energiegegenwart überlagert, verbunden mit grossen Unsicherheiten bezüglich Unternehmens- und Energiezukunft: Der Kundschaft mussten – quasi als böse «Geburtstagsüberraschung» – brutale Preiserhöhungen vermittelt werden (Gas 2022 um 80 Prozent, Strom 2023 um fast 90 Prozent); und das grosszügige SWL-Jubiläumsgeschenk neue Schlossbeleuchtung kann bis auf Weiteres nicht erstrahlen.
Die Stadt Lenzburg als Eigentümerin erwartet von den SWL – neben einer jährlichen Dividende von mindestens 1,2 Millionen Franken sowie einer Eigenkapitalquote von mindestens 50 Prozent – die Sicherstellung einer effizienten und kostenbewussten Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Im SWL-Jubiläumsjahr 2022 wird die Erfüllung dieser strategischen Vorgaben plötzlich zu einer realen operativen Herausforderung; zum Beispiel, weil die Strompreise vielerorts in der Region künftig um einiges tiefer sein werden als in Lenzburg.
Im Energiewesen finden tektonische Verschiebungen statt, die Auswirkungen der Ukraine-Krise beschleunigen die schon länger andauernden Umschichtungen durch die Energiewende noch zusätzlich. Auch die SWL-Führung selbst ist im Umbruch: neuer VR-Präsident; neuer CEO; neue Stadtvertretung im Verwaltungsrat. Die neue SWL-Führungsriege wird sich zusammen mit der Stadt nun rasch und mit «voller Energie» mit wichtigen Strategiethemen befassen müssen: unter anderem mit der Gretchenfrage, wie lange und wie weit die SWL angesichts der massiven Umwälzungen und vielfältigen Herausforderungen ihre (klein-)städtische Selbstständigkeit noch werden wahren können.