Juni-Sitzung im Einwohnerrat: Polithaushalt oder schon Kabarett?
Einwohnerrat Vergangene Woche trafen sich die Einwohnerräte- und -rätinnen zur Juni-Sitzung. Es war für alle etwas dabei – auch für Freunde der Komödie.
Schwarzer Humor und die vergangene Einwohnerratssitzung haben etwas gemeinsam: Beides bringt einen zum Lachen, auch wenn man es vielleicht nicht möchte. Eigentlich begann alles im geordneten Rahmen. Die Räte kamen pünktlich oder mehrheitlich entschuldigt. Die Gäste waren aus Birr und Lupfig gekommen. Die beiden Gemeinden prüfen eine Fusionierung und wollten sehen, wie denn so eine Einwohnerratssitzung abzulaufen habe. Wo sie den korrekten Ablauf lernen möchten, konnte vom Bezirksanzeiger nicht ermittelt werden. In Lenzburg lernten sie vergangene Woche auf jeden Fall aber, wie man es nicht machen sollte. Doch der Reihe nach.
GPFK zufrieden – grosses Lob an die Verwaltung
Die Sitzung startete mit den Finanzen. So wurden von der Geschäftsprüfungs- und Finanzkommission (GPFK) der Jahresbericht und die Rechnung thematisiert. Sprecher der GPFK war Thomas Schaer (SP). Er führte in gewohnter Gelassenheit faktenbasiert aus, dass der Jahresbericht mit sehr guten Beispielen verdeutlichen würde, wie die Stadt mit den Geldern umgehe und wie diese auch genutzt würden, um Probleme zu beheben. Auch zur Rechnung äusserte er sich positiv. Bis auf wenige Einwände, die aber geklärt werden konnten, bliesen alle Fraktionsvertretungen ins gleiche Horn. Das Gremium war sichtlich erfreut ob der positiven Zahlen. Für die Verwaltung äusserten die Fraktionen ausschliesslich dankende Worte. Ob diese sich in zukünftigen Lohnrunden monetarisieren werden, bleibt abzuwarten. Ein weiteres wichtiges Traktandum war der Erwerb des ehemaligen ABB-Areals. Die Stadt kaufte es zusammen mit der Reisezentrum AG. Auf dem Areal sollen die Werkhöfe zusammengeführt werden und die Regionalbus Lenzburg AG soll ein neues Depot bekommen. Ebenfalls wird Kies abgebaut. Der Kredit von rund 6,37 Mio. Franken wurde genehmigt. Auch der jährliche Aufwand für die Integrationsfachstelle wurde ohne Weiteres gesprochen. Weniger erfreulich war die Sitzung schliesslich für Michael Häusermann. Er wollte per Abstimmung erreichen, dass die Stadt die Todesanzeigen wieder an mehreren Standorten aushängt. Weder die Stadträte noch die Mehrheit im Saal sahen Bedarf dafür. Sein Anliegen wurde versenkt. «Eine traurige Haltung zu einem traurigen Thema», resultierte Häusermann.
Formale Fehler vor Publikum
Spannend an der Sitzung waren nicht nur die Traktanden, sondern auch der Ablauf. Ausgerechnet in Anwesenheit von auswärtigem Publikum war die Einwohnerratssitzung von etlichen formalen Fehlern begleitet. Eine Abstimmung mit 36 Anwesenden musste doppelt durchgeführt werden. Bei einer anderen mussten zwei Räte in den Ausstand. Gemäss Reglement hätten diese vor der Abstimmung den Saal verlassen müssen. Das Prozedere wurde aber während ihrer Anwesenheit durchgeführt. Nach der Abstimmung wurden sie doch noch vor die Tür gesetzt, ohne dass es den Anschein machte, als wüssten die verbleibenden Räte im Saal, wie es nun weitergehen sollte. Nach einigen Minuten stimmte man nochmals ab. Am späteren Abend kamen weitere formale Fehler auf Seite der Mitte-Fraktion.
Beantwortung mündlicher Anfrage als Härtetest
Eine mündliche Anfrage von Regula Züger (parteilos) zur Entschlammung von Tümpeln wurde von Stadtammann Daniel Mosimann beantwortet – äusserst ausführlich und aufgrund der Komplexität der Materie auf Hochdeutsch abgelesen. Spätestens hier schalteten geistig auch die diszipliniertesten Räte im Saal ab. Etwa in der Hälfte seiner Ausführungen über das Entschlammungsprodukt «SchlixX» zeichnete sich in den Gesichtern vieler Räte eine Mischung aus Langeweile und unglaubhaftem Lächeln ab. Mosimann hingegen zitierte emsig weiter. Die Stimmung bei den Räten kombiniert mit dem Entschlammungsmantra dürfte wohl auch bei den Gästen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Denn von ihren Stühlen und denen der Medienvertreter war stilles Lachen zu vernehmen. Formal war Daniel Mosimanns Vorgehen korrekt, effektiv war das Vorgehen sicher nicht. Marcel Strebel (FDP) meinte am Schluss der Sitzung zu seinen Ratskolleginnen und -kollegen, dass sich doch ein Blick in das Einwohnerratsreglement lohnen könnte. «Wir haben wirklich ein schlechtes Beispiel abgegeben.»