Im Lenzia-Forst wird bald weniger gemulcht
Exkursion Spannende Anlässe prägen das Jubiläumsjahr des 50-jährigen Natur- und Vogelschutzvereins Lenzburg (NVSVL). Nun lud der Verein zu einem Rundgang im Bergwald beim Fünfweiher und entführte die Teilnehmenden in die faszinierende Welt der Waldschmetterlinge.
Gut 30 Naturinteressierte trafen sich im Lenzia-Forst, um gemeinsam auf dem Bärenhübelweg Richtung Esterliturm und zurück durchs geheimnisvolle Bäreloch-Täli zu flanieren. Unter fachkundiger Leitung von Natur-und-Vogelschutzverein-Präsidentin Monika Locher schöpften die Lenzia-Verantwortlichen Matthias Ott und Markus Dietiker sowie die Feldbotanikerin Maya Zea und der Feldornithologe sowie Schmetterlingskenner Claude Müller aus ihrem reichen Wissensschatz rund ums Thema Waldwegränder, Flora und Schmetterlinge.
Wertvoller Lebensraum
Sie tragen Namen wie Brauner Waldvogel, Kaisermantel oder Weinschwärmer und werden immer seltener: Schmetterlinge. «Wir sind derzeit mit dem seit Menschengedenken raschesten und massivsten Niedergang der Insektenwelt konfrontiert», weiss Claude Müller und erläutert: «Der Klimawandel ist zumindest vorderhand nicht das erste Problem der Insekten und Schmetterlinge, wohl aber die Zerstörung ihrer Lebensräume durch uns Menschen.»
Maya Zea ergänzte: «Einer dieser Lebensräume sind die Waldwegränder. Blütenpflanzen wie Waldziest, Wasserdorst und die Salweide sind insbesondere für Schmetterlinge wichtige Lebensgrundlagen, da sie auf den Blüten Nektar sammeln und Blätter und Stängel nutzen, um Eier für die nächste Generation abzulegen.»
Zumindest, bis der Mulcher kommt. Denn: Um das Zuwachsen der Wege zu verhindern und dem Bedürfnis der Bevölkerung nach gepflegten Waldwegrändern nachzukommen, werden diese regelmässig gemulcht. So auch in den Lenzia-Wäldern, erklärte Stadtoberförster Matthias Ott.
Massnahmen für sanfteres Mulchen
Beim Mulchen, erklärt der Leiter Forstdienste, häckseln die tonnenschweren Maschinen nicht nur Pflanzen und Äste, sondern auch sämtliche Lebewesen. «Das Problem dabei ist vor allem der Zeitpunkt», weiss Monika Locher. «Wird im Juli bereits gemulcht, können die Pflanzen keine Samen bilden oder neue Kraft für das Folgejahr aufnehmen, wodurch sie verschwinden und viele Tiere ihre Lebensgrundlage verlieren.»
Im Lenzburger Forstamt ist man sich bewusst, welchen Einfluss die Wegrandpflege auf die Artenvielfalt hat. Trotzdem werden die meisten Waldwegränder gemulcht. Der Grund ist ganz einfach: Es gibt keine gute Alternative. «Wir sind uns des Dilemmas bewusst», erklärt Ott. «Wir haben diverse Alternativen geprüft, die jedoch aus technischen und finanziellen Gründen nicht in Frage kommen.»
Um das Mulchen dennoch ökologischer zu gestalten, haben sich der Forstdienst und der Natur- und Vogelschutzverein zusammengetan und gemeinsam Massnahmen erarbeitet. Bereits ab diesem Jahr werden die Wegränder im Lenzia-Forst nur noch auf einer Seite, und dies zu einem möglichst späten Zeitpunkt, gemulcht.
«Der andere Waldwegrand kommt dann im Folgejahr dran», sagt Ott und erklärt: «Beidseitig gemulcht wird nur noch dort, wo sich Neophyten zu stark ausbreiten.»
550 Hektaren frei von Neophyten
«Invasive Neophyten sind fremdartige Gewächse, die unserer heimischen Pflanzenwelt schaden», erklärt Naturschutzexperte Markus Dietiker und hält einen Strauch Drüsiges Springkraut und Einjähriges Berufkraut in die Höhe. «Neophyten haben das Potenzial, alle heimischen Pflanzen grossflächig zu verdrängen. Deshalb haben wir vor einigen Jahren den Kampf gegen sie aufgenommen.»
Seither hat sich in den Lenzia-Wäldern einiges getan. Rund 550 vom 1132 Hektaren grossen Lenzia-Forst sind heute weitgehend frei davon. «Ganz Herr der Lage werden wir nie, aber wir sind auf dem richtigen Weg», sagt Dietiker, während die Exkursionsteilnehmer durchs geheimnisvolle «Bäreloch» absteigen.
«Richtig abenteuerlich», staunt Elsbeth Lüthi aus Lenzburg, die gerade über einen grossen Ast klettert und seit drei Jahren beim Natur- und Vogelschutzverein dabei ist. «Solche Exkursionen sind immer spannend. Ich bin froh, dass ich heute mit von der Partie bin.» Unten angekommen, verabschieden sich die Naturinteressierten voneinander.
Die meisten werden sich schon bald wiedersehen, denn auch das zweite Jubiläumshalbjahr des Natur- und Vogelschutzvereins ist gespickt mit zahlreichen Anlässen, unter anderem den Neophyten-Aktionstagen im August und September, dem Zugvögel-Familienanlass Ende September und dem Mooshof-Aktionstag im Oktober.