«Ich habe immer an das Projekt und an die Kraft des Neuen geglaubt»
Lenzburg Nach eineinhalb Jahren Bauzeit wird am Wochenende das neue Traitafina-Turnzentrum Aargau eröffnet. Jörg Sennrich, der Präsident des Aargauer Turnverbandes (ATV), ist die treibende Kraft hinter dem 14-Millionen-Franken-Projekt.
Das neue Turnzentrum an der Hammermattenstrasse in Lenzburg löst das bisherige Trainingszentrum in Niederlenz ab, das die Turner wegen anderweitiger Nutzung verlassen mussten. ATV-Präsident Jörg Sennrich beantwortet in der Folge Fragen rund ums Turnzentrum.
Was bekommen Lenzburg und die Region mit dem neuen Turnzentrum?
Jörg Sennrich: Mit 40 500 Mitgliedern ist der Aargauer Turnverband das grösste polysportive Netzwerk im Kanton. Mit dem Traitafina-Turnzentrum Aargau wurde ein Kompetenzzentrum von nationaler Bedeutung und internationaler Ausstrahlungskraft geschaffen. Bereits im zweiten Semester dieses Jahres finden die ersten internationalen Länderwettkämpfe im Turnsport in Lenzburg statt.
Zuerst Niederlenz und nun Lenzburg. Ist die Region ein besonders gutes Pflaster für (Spitzen-)Turnsport?
Hier ist das Epizentrum für den Turnsport (schmunzelt). Namhafte und talentierte Turner wie Vize-Europameister am Barren Lukas Fischer, Reck-Europameister Oliver Hegi oder EM-Silbermedaillen-Gewinner Christian Baumann trainierten bereits in Niederlenz und schafften den Sprung ins Nationalkader oder ins erweiterte Nationalkader. Das neue Turnzentrum in Lenzburg ist die logische Konsequenz und Fortführung von «Niederlenz», eine Talentschmiede, welche die Voraussetzungen schafft, dass Erfolge auch in Zukunft gelingen können. Zusätzlich punktet Lenzburg in Bezug auf die verkehrstechnische Erschliessung.
Welches waren die grössten Widerstände, die bei der Planung und dem Bau des Turnzentrums überwunden werden mussten?
Es waren die Zweifel in den Köpfen vieler Turner. Denn schon Shakespeare meinte «Zweifel sind Verräter, sie rauben uns, was wir gewinnen können, wenn wir nur einen Versuch wagen». Ich habe immer an das Projekt, an die Kraft des Neuen, des Aufbruchs geglaubt. Diese Vorstellung hat mich angetrieben. Ich bin wohl einfach konsequent den Weg gegangen und habe die «Leute» reden und denken lassen. Einer meiner beruflichen Mentoren hat mir mal gesagt: «Wenn Du nur geliebt werden willst, dann werde im nächsten Leben ein Kaffeevollautomat. Da wirst du geliebt, bekommst Aufmerksamkeit und ständig drückt dich jemand.»
Wie treibt man als Turnverband in kurzer Zeit 14 Millionen Franken für ein solches Zentrum auf?
Ohne unsere grosszügigen Unterstützer wäre die Realisation eines solchen Jahrhundertprojekts in diesem Zeitraum schlicht und einfach nicht möglich gewesen. Im Dezember 2019 wurde das Fundraising gestartet, um die finanziellen Mittel zu sammeln. Der Zeitpunkt unmittelbar vor Ausbruch der Covid-Krise war für das Projekt eine Katastrophe. Keine Roadshows, keine Events. Aber trotz allen Widrigkeiten bis zum jetzigen Zeitpunkt können wir auf 2643 einzelne Spenden, 280 Spendenaktionen und die Unterstützung von 440 Turnvereinen und -verbänden zählen. Das ist unglaublich, aber eben nicht unmöglich. Einfach grossartig. Aber auch nach der Eröffnung sind wir auf Support angewiesen, um den Betrieb des neuen Traitafina-Turnzentrums Aargau nachhaltig sicherzustellen.
Welche Position nimmt das Turnzentrum Aargau in der Schweiz ein?
In der Schweizer Kunstturnszene nimmt der Aargau eine Vorreiterrolle ein und ist systemrelevant für den gesamten Turnsport in der Schweiz, denn ein Drittel des Nationalkaders stammt aus dem Aargau. Das Turnzentrum Aargau als Talentschmiede und Kompetenzzentrum ist und bleibt von nationaler Bedeutung.
Das Zentrum ist nach modernsten Erkenntnissen ausgestattet. Welches sind hier die Besonderheiten, etwa bei den Sprunggruben?
Die Trainingshalle wurde mit den modernsten Trainingsgeräten ausgestattet. Zu den Spezialitäten gehört beispielsweise ein sogenanntes «Bagjump»-Luftkissen. Weiter ist nennenswert, dass jedes Gerät doppelt zur Verfügung steht. Eine Tribüne für Wettkämpfe ermöglicht es zudem, das Turngeschehen hautnah mitzuerleben. Auch die Bildung unserer Athleten erhält mit einem integrierten Klassenzimmer einen hohen Stellenwert. Unsere jungen, schulpflichtigen Athleten profitieren von einer topmodernen Infrastruktur. Es wurden neue Laptops angeschafft und das Bildungszimmer mit einer digitalen Wandtafel ausgestattet. Wir bieten hier optimale Rahmenbedingungen, um den Unterricht interaktiv mit den modernsten didaktischen Mitteln gestalten zu können.
Auf was wurde bei der Betreuung ausserhalb der Sporthalle geachtet?
Während der intensiven Findungsphase bevor klar war, dass wir in Lenzburg das neue Turnzentrum realisieren können, hatte ich immer gesagt: Ich muss nur die Fortführung für Niederlenz sicherstellen, sprich eine Lösung für die Trainingshalle finden. Heute darf ich feststellen, dass wir ein Zuhause realisiert haben, welches optimale Voraussetzungen für eine gelingende Zukunft bietet. Unsere Athleten stehen im Mittelpunkt und finden Trainingshalle, Kraft- und Physiobereich, integriertes Medical-Center, Klassenzimmer, Regenerations- und Freizeitraum sowie die Service- und Dienstleistungsbereiche des Turnverbands unter einem Dach. Zudem bieten zwei Spiegelsäle im Erdgeschoss Raum für Aerobic, Yoga, Lauftraining, Pilates, Tanzen und vieles mehr.
Wie viele Turner können hier miteinander trainieren?
Die Rechnung ist relativ einfach, wir haben ungefähr die doppelte Fläche wie in Niederlenz, also können auch doppelt so viele Turner miteinander trainieren. Durch das grosszügige Platzangebot und nahezu sämtliche Geräte in doppelter Anzahl kommen gut vier bis fünf Riegen aneinander vorbei. Davon profitieren unmittelbar unsere Vereine im Breitensport.
Neben dem Training: Für welche Art Veranstaltungen kann das Turnzentrum genutzt werden?
Das neue Turnzentrum wurde als Trainingshalle konzipiert und bietet gleichwohl einen gewissen Rahmen, um Wettkämpfe (zum Beispiel Cups, Schweizer Meisterschaften, Länderkämpfe) durchführen zu können. Im Weiteren gibt es komplett ausgestattete Seminarräume, die gebucht werden können für Sitzungen und Kurse, Versammlungen und Firmentagungen. Die beiden Spiegelsäle verfügen über eine multimediale Ausrüstung. Zusammen bieten sie Platz für bis zu 160 Personen (Konzertbestuhlung). Zudem stehen rund 40 Parkplätze den Besuchern und Gästen zur Verfügung. Das Turnzentrum Aargau ist ein Ort für sportliche Begegnungen und ein Raum, der neue Impulse schafft.
Wird Lenzburg nun ein Mekka für neue Spitzenturner?
Ich würde da eher von einer Turnhochburg sprechen. Der Aargauer Spitzensport zeichnet sich aktuell durch 175 lizenzierte Kunstturner, 90 Kaderathleten sowie 30 nationale Kaderathleten aus. Während rund 43 070 Trainingsstunden jährlich werden im Regionalen Leistungszentrum Goldträume gelebt. Lenzburg mit dem neuen Turnzentrum wird unbestritten von grosser und wegweisender Bedeutung für den Aargauer Spitzensport sein und weiterhin optimale Rahmenbedingungen für eine gelingende Nachwuchsförderung schaffen.
Wann und wie sollen Eltern ihre Kinder für eine Turnkarriere vorbereiten?
Unabhängig von einer Turnkarriere ist der Turnsport für die gesamte Körpermotorik und sportliche Grundschulung wichtig und fördert sowohl Kraft, Ausdauer als auch Koordination schon im Kindesalter. Um aber erfolgreich im Leistungsbereich zu turnen, hat es sich bewährt, im Alter von vier bis sechs Jahren mit dem Training zu starten. Ausnahmen bestätigen die Regel. Damit Eltern ihre sporttreibenden Kinder bestmöglich begleiten können, sollten sie im stetigen Austausch mit den Kindern, aber auch mit den jeweiligen Trainern stehen. So können individuelle Bedürfnisse optimal abgeholt werden.
Gibt es neben Spitzen- und Vereinssport weiterhin Spielangebote für Kinder?
Ja, klar. Jede Woche öffnen wir das Turnzentrum Aargau für unsere Kleinsten und verwandeln die Halle der «Profis» in den grössten Indoor-Spielplatz im Aargau, wo die Kids spielerisch erste Erfahrungen mit den Bewegungsgrundformen sammeln können.
Worauf freuen Sie sich am meisten? ... am Eröffnungswochenende?
Ich freue mich auf ein hochstehendes Turnprogramm und ein geselliges Zusammensein. Nach dem offiziellen Festakt am Samstagmorgen, 11. März, steht ab 14 Uhr der EM-Qualifikationswettkampf Schweizer Kunstturnnationalkader der Männer und Frauen auf dem Programm. Am Sonntag folgt von 10 bis 16 Uhr der Tag der offenen Tür mit stündlichen Showblöcken von Vereinen und Kunstturnenden. An beiden Tagen wird eine Festwirtschaft geführt, wo sich die grosse Aargauer Familie von Turnfreunden und Turninteressierten zu Wein, Bier und Wurst vom Grill treffen kann.
... während des Betriebs in den nächsten Monaten und Jahren?
Das Turnzentrum Aargau ist ein Generationenprojekt mit einzigartiger Infrastruktur für Spitzen- und Breitensport, eine Investition in die Zukunft an einem bestens erreichbaren Standort. Ich freue mich auf einen lebendigen, generationenübergreifenden Ort, wo sich Menschen zum Thema Sport versammeln, und darauf, dass sich diese enorme Investition in den Turnsport auszahlt, indem ungeahnte Entwicklungen in Gang kommen, welche neue Erfolge im Turnsport möglich machen. Der Aargauer Turnsport ist Pionier einer neuen Zeit.
Turnzentrum Aargau: Programm Eröffnung
Mit einem sportlichen und gesellschaftlichen Rahmenprogramm wird am Wochenende das Traitafina-Turnzentrum Aargau in Lenzburg eröffnet.
Samstag, 11. März. Ab 13.30 Uhr: Festwirtschaft offen; 14 bis 17.30 Uhr: EM-Qualifikationswettkampf Schweizer Kunstturnnationalkader Männer und Frauen; 17.30 bis 18.30 Uhr: Happy Hour in der Festwirtschaft; 18.30 bis 20 Uhr: Champions-Night (Ehrung der Aargauer Schweizer Meister); 20 bis 23 Uhr: Gemütliches Beisammensein in der Festwirtschaft.
Sonntag, 12. März. Ab 9 Uhr: Morgenkaffee und Gipfeli in der Festwirtschaft; 10 bis 16 Uhr: Tag der offenen Tür mit stündlichen Showblöcken von Vereinen und Kunstturnern.
Ort: Traitafina-Turnzentrum Aargau, Hammermattenstrasse 11, Lenzburg.