Ein denkwürdiger Leset am Schlossberg
Wein Vergangene Woche fand der letzte Leset der Ortsbürger Rebbauern-Vereinigung statt.
Am 12. Oktober 1951 fand am Schlossberg erstmals wieder ein Leset statt, nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts die letzten Reben gerodet worden waren. Dass das Kulturgut Reben dort seit über einem Dreivierteljahrhundert wieder gepflegt wird, ist der Initiative der Ortsbürger Rebbauern-Vereinigung zu verdanken. Mit der Bewirtschaftung hatten sie in den ersten 50 Jahren Willy Rupp senior und junior beauftragt, die punktuell von Mitgliedern unterstützt wurden. Während der letzten zwanzig Jahre bewirtschaftete eine Gruppe freiwilliger Helferinnen und Helfer aus den Reihen der Vereinigung, bekannt unter dem Namen «Räblüs», die 40 Aren in Eigenregie.
Der Leset vom vergangenen Samstag war ein denkwürdiger: Es handelte sich um den letzten unter der Federführung der Ortsbürger Rebbauern-Vereinigung. Ende Jahr wird sie die Pacht der Parzelle oberhalb des Rebwegs nach über einem Dreivierteljahrhundert an die Ortsbürgergemeinde als Grundeigentümerin zurückgeben. Der Stadtrat als Vertreter der ortsbürgerlichen Liegenschaften wird das Rebland auf das neue Jahr an einen Profiwinzer verpachten. Dessen Wahl wird er nächstens treffen und zu gegebener Zeit bekanntgeben.
Auf Wehmut folgte die Sonne
Eine gewisse Wehmut über den Abschied von dieser liebgewonnenen Tradition war der Lesetschar von gegen 40 Mitgliedern und Gästen nicht zu verdenken. Die Freude darüber, dass der letzte Leset unter stahlblauem Himmel bei hochsommerlichen Temperaturen stattfinden konnte, überwog dann aber. Zuversichtlich stimmte sie auch, dass es mit dem Rebbau am Schlossberg nahtlos weitergehen wird. Unter Leitung von Werner Volkmar, der am Ende der Rebsaison nach neun Jahren von seinem Amt als Obmann Rebberg zurücktritt und sich für die unermüdliche Unterstützung durch die «Räblüs» bedankte, brachte die Lesetschar innert acht Stunden 2,3 Tonnen Blauburgundertrauben mit Oechslegraden von 92 und 93 ein. Das Traubengut, das mit grosser Sorgfalt gelesen wurde, führte verdankenswerter Weise Brigitte Vogel mit ebenso grosser Sorgfalt nach Seengen zum Weingut Lindenmann, der den letzten Jahrgang der Ära Ortsbürger Rebbauern-Vereinigung keltert.
Von den 15 «Räblüs», die 2005 die Phase der Eigenbewirtschaftung im Milizsystem einleiteten und seither ununterbrochen im Rebberg wirkten, durfte Corin Ballhaus, Präsidentin der Ortsbürger Rebbauern-Vereinigung, vier begrüssen: Corinne Haemmerli, Felix Kieser, René Rauber und Kurt Wernli. Die beiden Letzteren amteten vor Werner Volkmar als Obmann Rebberg. Felix Kieser, der dieser Tage seinen 85. Geburtstag feiern durfte, initiierte vor über 50 Jahren zudem das Goldene Buch der Vereinigung. Darin hält er seither alle wichtigen Anlässe fest, so auch den letzten Leset der Ära Ortsbürger Rebbauern-Vereinigung.
Nach getaner Arbeit liess sich die Lesetschar die obligate Suppe mit Spatz und das eine oder andere Glas des feinen Tropfens aus dem Rebberg munden, gemeinsam mit weiteren Mitgliedern, die sich dazugesellten. Ein würdiger Abschluss einer eindrücklichen Schaffensphase. Im kommenden Jahr kümmert sich die Vereinigung noch um den Vertrieb des Jahrgangs 2025 und wird an der Generalversammlung über ihre Zukunft nach dem Abschied vom Rebbau befinden. (pd/rfb)