blickpunkt

Wahlen Hüpfburg, Wildspezialitäten mit Jagdhorn-Tönen, Dropz und sogar Rudern mit Andi: Sauglattismus, nicht nur, aber vermehrt von konservativ-bürgerlicher Seite her, war in diesem Wahlkampf omnipräsent. Mit den Linken durfte man sogar Golf spielen oder durch die Quartiere spazieren. Es sind halt Wahlen. Und etwas muss man ja machen, nicht wahr? Zugegeben – leicht hatten es die Leute in diesem Stimmenzirkus nicht. Doch meinem Augenzwinkern zum Trotz dürfte diese Wahl eine besondere sein. Wird die Abkehr vom bürgerlichen Status quo, der vor vier Jahren begann, weitergeführt?
Für das Stadtammann-Amt treten gleich zwei Liberale an: Vize-Ammann Andreas Schmid (FDP) mit einem äusserst ansehnlichen Leistungsausweis aus den letzten vier Jahren und Barbara Portmann Müller (GLP), die ihr Ressort kompetent durch das ein oder andere Unwetter steuerte. Er, der Wirtschaftsliberale, dürfte wohl bei der bürgerlichen Basis am meisten punkten. Sie, die Gesellschaftsliberale, setzt auf die Progressiven. Auf smartvote lässt sich nachlesen, dass beide ungefähr gleich liberal sind – bloss auf zwei verschiedenen Kanälen.
Beim Vize-Ammann-Duell heisst es Frau gegen Frau: Die bisherige Stadträtin Beatrice Taubert (SP) bringt politische Erfahrung auf städtischer wie kantonaler Ebene mit. Christina Bachmann Roth (die Mitte) dagegen ist gestandene Unternehmerin und Präsidentin der Mitte Frauen Schweiz, kann mit Netzwerk und Präsenz punkten – aber noch nicht mit Stadtrats-Kenntnissen. Erfahrung oder Neuanfang?
Ebenfalls wollen Thomas Schär für die Sozialdemokraten und Sven Ammann für die FDP in den Stadtrat. Ammann ist bereits seit vier Jahren im Exekutivgremium und ist kein Mann der grossen Worte. Er ist einer der stillen, beliebten Chrampfer, wie sie die FDP oft ins Feld führt. Thomas Schär gilt als parteilinientreu und charismatisch. Er präsidiert die Geschäftsprüfungs- und Finanzkommission (GPFK) und hat deswegen beste Dossierkenntnisse. Einzelne Stimmen aus der GPFK – nicht nur linke Stimmen – lassen verlauten, dass er sehr wohl nicht nur als «Parteisoldat» auftritt, sondern Kompromisse und andere Meinungen nicht scheut. Vor der Abstimmung über die neue BNO im Einwohnerrat wies er darauf hin, dass, wenn alle Fraktionen etwas an der Vorlage zu bemängeln hätten, es wohl ein gutes Papier sei: «Es bedeutet, dass alle Parteien mindestens einen Kompromiss eingingen.» Es wird gemunkelt, dass Sven Ammann den Posten am Ende gar für Christina Bachmann Roth räumen müssen könnte, weil sowohl sie als auch Schär äusserst gute Chancen für die Wahl hätten.
War es Furcht vor dem progressiv-linken Lenzburg, die die FDP den Schulterschluss mit der Mitte hat eingehen lassen? Durch die Kandidatur Portmanns als Frau Stadtammann war ein Schulterschluss zwischen FDP und GLP von Anfang an nicht mehr möglich. Portmann entschied sich für die Linken, wohnte vielen ihrer Anlässe bei.
Am 19. September berichtete die AZ, es seien bisher 1640 Couverts eingegangen. Das sind etwa 25 Prozent der Stimmberechtigten. Am 23. September waren es 2064 Stück, also etwas über 30 Prozent. Schafft es Lenzburg noch bis Sonntag auf die 40 Prozent? Wahrscheinlich entscheidet nämlich weder die Hüpfburg noch der Golfschläger, sondern der stille Briefkastenschlitz.