Zwischen Ge.ige und Cello: Talente aus der Region treten auf

Möriken-Wildegg Zwei junge Talente aus Möriken-Wildegg bringen jüdische Klangtradition auf die Bühne: Jana Traut und Rahel Furrer musizieren im Louis-Lewandowski-Orchester zwischen Streichquartett, Klezmer und Solopartien. Am 22. Juni treten sie in Lenzburg auf – überraschend anders und hörenswert.

Vielversprechende Talente aus Möriken-Wildegg: Rahel Furrer und Jana Traut.Foto: zvg

Wie kommt ein Geigenmädchen aus Niederlenz dazu, jüdische Liturgiemusik mit einem Westschweizer Orchester aufzuführen? Und wie klingt es, wenn eine Cellistin aus Möriken zum ersten Mal Klezmer spielt – in Göttingen? Jana Traut und Rahel Furrer erzählen von ihrer Leidenschaft, ihren Projekten und einem Dirigenten, der lieber Briefe schreibt als Mails.

Was mit Schülerkonzerten und elterlicher Begeisterung begann, ist heute ein zentraler Bestandteil ihres Lebens: Musik. Die eine spielte schon als Kind auf einem kleinen, geliehenen Cello. Die andere entschied sich für die Geige, weil sie sich in den Klang verliebt hatte. «Es ist sehr gesanglich und vielseitig – und ich liebe es, mit anderen zusammen Musik zu machen», sagt Jana, die Geigerin. Ob Kammermusik, Orchester oder Solo: «Die Geige bietet so viele Möglichkeiten.»

Auch Rahel, Cellistin, spricht von der Vielfalt als grossem Vorteil. Sie kam durch ein Schülerkonzert zum Cello – und war vom ersten Moment an begeistert vom warmen, vollen Klang. «Was ich damals noch nicht wusste, aber heute sehr schätze: Man kann damit überall mitspielen – im Orchester, im Quartett, im Duo.» Beide Musikerinnen sind heute Teil eines besonderen Ensembles: des Louis-Lewandowski-Orchesters.

Ein Orchester wächst überSprachgrenzen hinaus

Als Jana zum ersten Mal mitspielte, war sie gerade mal 13 Jahre alt – und gemeinsam mit Rahel eine der wenigen Deutschschweizerinnen in einem damals vorwiegend westschweizerischen Orchester. «Die Sprache konnten wir kaum, daher war es sehr aufregend», sagt Rahel. Seitdem hat sich einiges verändert. «Mit der Zeit haben wir immer mehr auch Musiker aus der Deutschschweiz angefragt, die wir von der Schule oder aus anderen Orchestern kannten.»

Gegründet wurde das Orchester von François Lilienfeld, einem aussergewöhnlichen Musiker, der in La Chaux-de-Fonds lebt – ohne Internet, ohne E-Mail, ohne WhatsApp. «Er verschickt die Noten per Post, schreibt Briefe – und arrangiert viele Stücke von Hand», erzählt Rahel. Oft müsse man während der Proben noch kleine Fehler ausbessern. «An den Konzerten sind dann Uraufführungen dieser Arrangements zu hören».

Musiktradition, die fast vergessen geht

François Lilienfeld widmet sich einer Musik, die im klassischen Konzertbetrieb kaum vorkommt: jüdische, synagogale Melodien, insbesondere von Louis Lewandowski. «Diese Musik ist wunderschön, aber sie verschwindet immer mehr», sagt Rahel. «Durch die Konzerte tragen wir ein Stück dieser Tradition weiter.»

Jana ergänzt: «Es ist einfach schön, dass es an diesen Konzerten wirklich nur um die Musik geht. Jedes einzelne fühlt sich an wie ein Musikfest. Es stehen weder Wettbewerb noch Virtuosität im Vordergrund – sondern der gemeinsame Ausdruck.» Einen besonderen Moment erlebt Jana dieses Jahr in der Nähe ihres Wohnorts: Sie wird Pablo de Sarasates berühmte «Zigeunerweisen» aufführen. «Das Stück ist für mich eine echte Herausforderung – technisch anspruchsvoll, sehr virtuos, und gleichzeitig extrem ausdrucksstark.» Dass sie es hier spielen darf, freut sie besonders: «Es ist nicht einfach ein Schaustück, sondern es wird in einem musikalischen Kontext aufgeführt, nicht nur zum Beeindrucken.»

Rahel hingegen tritt mit drei Mitstudierenden aus Bern im Quartett auf – ein weiteres Beispiel für die Offenheit dieses Orchesters gegenüber jungen Musikern. «François gibt vielen die Möglichkeit, solo zu spielen oder eigene Projekte einzubringen.»

Zwischen Orchester und Klezmer

Jana wurde über einen Wettbewerb entdeckt: «François hat mich am Schweizer Jugendmusikwettbewerb spielen gehört und mich danach eingeladen.» Ihre erste Aufführung mit dem Orchester war ein Stück von Fritz Kreisler. Inzwischen ist sie gemeinsam mit Rahel auch Teil einer Klezmer-Gruppe unter Leitung von François Lilienfeld. «Wir waren schon zweimal in Göttingen – das war neu für mich, diese Musikrichtung.» Die Verbindung von Konzert, Reise und neuer Klangwelt sei etwas ganz Besonderes. «Es geht ums gemeinsame Musizieren. Man spürt die Freude bei allen, die dabei sind.»

Neue Wege, neue Klänge

Die beiden Musikerinnen stehen an einem Wendepunkt: Jana beginnt ihr Studium in Luzern bei Isabelle van Keulen, Rahel studiert bereits in Bern bei Conradin Brotbek. Gemeinsam planen sie, mit einem Pianisten das Klaviertrio von Smetana zu erarbeiten – ein Projekt für das nächste Jahr. Daneben stehen weitere Engagements an: Konzerte in Niederlenz, ein Barockprojekt mit Gullivers Reisen, ein Auftritt in der Operette in Möriken. Beide wissen, dass der klassische Karriereweg ins Orchester heute keine Selbstverständlichkeit mehr ist. «Man muss offen bleiben und die Dinge auf sich zukommen lassen – das Wichtigste ist, die Freude an der Musik zu behalten.» Und diese Freude ist spürbar. Ob in Göttingen oder im Kirchgemeindesaal, ob im Quartett oder Solo mit Orchester: Ihre Musik erzählt von Begeisterung und einem klaren Ziel – dass der Klang weiterlebt.

Die Matinee mit dem Louis-Lewandowski-Orchester findet am Sonntag, 22. Juni, um 11 Uhr im reformierten Kirchgemeindehaus in Lenzburg statt. Um 14.30 Uhr spielt das Orchester zudem im Alterszentrum Obere Mühle.

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