Selbstbestimmung im Sozialwesen wurde abgelehnt
Möriken-Wildegg Der Grossaufmarsch der Stimmberechtigten an der Einwohnergemeindeversammlung vom Montag, 24. November, bestätigte, dass ein gewichtiges Traktandum anstand: der Austritt aus dem Gemeindeverband Soziale Dienste Region Lenzburg (SDRL).

Gemeinderätin Brigitte Becker präsentierte in Traktandum 2 «Anpassung Stellenplan in der Abteilung Sozialdienst» auf, welche Ziele der Gemeinderat anstreben will: Dienstleistungen nahe beim Kunden, selber bestimmen und die finanziellen Aspekte berücksichtigen. Der gemeinderätliche Antrag zur Anpassung mit 140 Stellenprozenten sorgt für Unterstützung interner Ressourcen, denn heute sind 60 Prozent davon in die Gemeindekanzlei integriert. Ohne Diskussion wurde dieser Antrag angenommen. Unter Traktandum 2b sollte die Versammlung weitere 50 Stellenprozente für den Sozialdienst genehmigen, um ausgelagerte Dienste wie die Zusammenarbeit mit der Caritas und dem Kantonalen Sozialdienst selber zu erledigen. Dieser Antrag wurde knapp mit 124 zu 103 Stimmen angenommen.
Keine Schnellschusspräsentation
Brigitte Becker erklärte im Traktandum 3 die aktuelle Aufgabenteilung vom Sozialdienst Möriken-Wildegg und dem SDRL auf. Der Sozialdienst Möriken-Wildegg bearbeitet unter anderem die gesetzliche Sozialhilfe, Verwandtenunterstützung oder Elternbeischaftshilfe, während der SDRL den Kindes- und Erwachsenenschutzdienst, die Jugend- und Familienberatung sowie die Mütter- und Väterberatung ausführt. Mit dem geplanten Austritt aus dem Verband will der Gemeinderat die enorm angestiegen Ausgaben eindämmen. «Es sind aber nicht nur die hohen Kosten», führte Becker aus, «auch die vielen Wechsel in den letzten Jahren in den Bereichen Beistandswechsel führten zu einem Vertrauensschwund.» Nach klaren Vorstellungen, wie der Gemeinderat den Alleingang bewältigen will, zog Brigitte Becker Fazit: «Wir wollen nicht die Leistungen ändern, sondern den Leistungserbringer.» Laut Becker war der geplante Austritt auch kein Schnellschuss, sondern anderthalb Jahre harte Arbeit mit vielen Abklärungen, Gegenüberstellungen und Vergleichen mit anderen Gemeinden.
Risiko nicht unterschätzen
Die Gegner des Austritts sprachen nebst den Kostenersparnissen mehrheitlich die gleichen Themen an: Der Verbleib im Verband sorgt für eine einfachere Betreuung und für ein breiteres Angebot. Die hohen Sozialkenntnisse und das Fachwissen wurden angezweifelt, ebenso der Personalmangel bei eventuellen Krankheitsausfällen.
Die Befürworter für den Austritt sind der Ansicht, dass kleinere Gemeinden beim SDRL sicher gut aufgehoben sind, grössere wie Möriken-Wildegg aber bessere Kenntnisse von konkreten Bedürfnissen der Hilfesuchenden haben und die Vorteile der kürzeren Kommunikationswege nutzen können. Nach rund einer Stunde stellte Brigitte Becker den Antrag, dem Austritt aus dem SDRL sei zuzustimmen, doch dieser wurde knapp mit 116 zu 109 Stimmen abgelehnt.
Die weiteren Traktanden wie ein Verpflichtungskredit von 180000 Franken für eine freiwillige vertragliche Landumlegung zur Unterstützung von drei aussiedlungswilligen Landwirten sowie das Budget wurden einstimmig angenommen. Um Punkt 23 Uhr trat dann Gemeindeammann Jeanine Glarner ans Mikrofon und in gewohnt locker-amüsanter Art verabschiedete sie zwei langjährige Mitglieder aus dem Gemeinderat. Beat Fehlmann amtete 13 Jahre als versierter Baufachmann, der unzählige Projekte verwirklichen konnte. Markus Eichenberger war 12 Jahre im Gemeinderat, seit 2018 als Vizeammann, zuständig für die Ressorts Bildung und Kultur. Unter lang anhaltendem Applaus überreichte Glarner den beiden je einen Blumenstrauss sowie einen Reisegutschein.
Es ging schon gegen Mitternacht, als der Apéro eröffnet wurde und die Anwesenden die Gelegenheit für gegenseitige Gespräche und einen Schluck Stärkung nach intensiven Diskussionen nutzen konnten.



