Aus dem Bauverwalter wird ein «Besebeizer»

Möriken-Wildegg Roland Weibel geht nach 42 Jahren im Dienst der Regionalen Technischen Betriebe (RTB) in Pension. Im Coronajahr 2021 hatte der Leiter Dienste mit seinem Team eine regelrechte Flut an Baugesuchen zu bewältigen.

Übergabe: Roland Weibel übergibt einen dicken Kommentarband zum Baurecht an seinen Nachfolger Roberto Lüthi. Foto: Markus Christen
Übergabe: Roland Weibel übergibt einen dicken Kommentarband zum Baurecht an seinen Nachfolger Roberto Lüthi. Foto: Markus Christen

Um 20 bis 40 Prozent nahm die Anzahl an Baugesuchen in den vergangenen zwölf Monaten in den Gemeinden Niederlenz und Möriken-Wildegg zu. Mägenwil erfuhr gar eine Verdoppelung der Baugesuche. «Mit dieser Entwicklung habe ich ganz und gar nicht gerechnet», sagt Roland Weibel, Leiter Dienste bei den RTB. «Ich dachte, die Baugesuche nehmen ab.»

Von ruhigen Bürozeiten bis zu seiner Pensionierung im März kann also keine Rede sein. Vielmehr hatte Weibel, dem auch die Führung der Bauverwaltung obliegt, mit seinem Nachfolger Roberto Lüthi und dem Team eine regelrechte Flut an Baugesuchen zu bewältigen.

Auf diese Mehrbelastung mussten die RTB mit einer Personalaufstockung reagieren. «Der Personalmarkt in der Branche ist wegen der übermässigen Nachfrage ausgetrocknet. Zudem mussten wir gut überlegen, wie dann mit der Situation umzugehen ist, wenn die Zahl der Baugesuche wieder rückläufig ist.»

Fachausweis mit 41 Jahren

Seit Januar sind nun sieben Personen in diesem Bereich beschäftigt. Als Weibel vor 42 Jahren bei den RTB anfing, genauer beim damaligen Elektrizitäts- und Wasserwerk Möriken (EWM), da existierte eine solche Abteilung noch gar nicht. Für baurechtliche Fragen waren die Ressortverantwortlichen im Gemeinderat zuständig. Weibel, der bereits seine Lehre als Elektromonteur beim EWM absolviert hatte, wurde Ende 1979 als leitender Monteur in der Installationsabteilung angestellt. Fünf Jahre später folgte die Beförderung zum stellvertretenden Installationschef und der damit einhergehende Wechsel vom Aussen- in den Innendienst. Mitte der 90er-Jahre liess sich Roland Weibel zusätzlich zum Elektroplaner ausbilden.

«Es war auch ungefähr zu jener Zeit, als die ersten Anfragen aus dem Gemeinderat zur Durchführung von Baukontrollen eingingen», erinnert sich der heute 63-Jährige. Die Abnahme von Bauprojekten oder auch das Prüfen von Energienachweisen nahm in der Folge immer mehr Arbeitszeit in Anspruch, und mit 41 Jahren erlangte Roland Weibel den Fachausweis zum Bauverwalter. «Die Ausbildung stand damals ganz frisch im Angebot der Handelsschule KV Aarau, und ich habe gleich den zweiten Ausbildungskurs besucht.»

2002 kam es zur Fusion des inzwischen Technische Betriebe Möriken-Wildegg genannten Dienstleisters mit den Technischen Betrieben Niederlenz. Die RTB Regionale Technische Betriebe mit Sitz in Wildegg waren geboren und Weibel amtete fortan als Leiter der Bauverwaltung und durfte vorerst auf die Unterstützung eines Mitarbeiters zählen.

Wachstum war die Herausforderung

«Zuständig sind wir auch heute noch für die meisten baurechtlichen Fragen. Zudem führen wir Profil-, Rohbau- und Schlusskontrollen nach den jeweils geltenden Baugesetzen und Verordnungen durch.» Zusätzlich koordinierte Weibel, fortan als Leiter Dienste, für die Gemeinden Möriken-Wildegg und Niederlenz bis Ende 2020 auch das Bauamt, die Hauswarte für die öffentlichen Gemeindegebäude sowie den Badmeister des Schwimmbads Wildegg.

Als besondere Herausforderung für den Bereichsleiter erwies sich das stetige Wachstum der RTB. Zu den beiden Verbandsgemeinden stiessen in den letzten 20 Jahren noch die Partnergemeinden Othmarsingen, Hendschiken, Auenstein und Mägenwil dazu. «Jede dieser Gemeinden besitzt eine eigene Bau- und Nutzungsordnung sowie ein eigenes Gebührenreglement. Das bedeutet, dass für jede Gemeinde eine separate Checkliste zum Einsatz kommt», sagt Weibel.

Eine weitere Herausforderung für die Bauverwaltung stellt die kontinuierliche Zunahme an Verordnungen dar. «Einen Grossteil unserer personellen Ressourcen stellen wir inzwischen der Beantwortung von Anfragen zur Verfügung. Laien, die mit den baurechtlichen Bestimmungen überfordert sind, wenden sich an uns. Aber auch Architekten und Investoren, die das Maximum aus den rechtlichen Vorgaben herausholen wollen.»

Eigenes Baugesuch wurde bewilligt

Seine Arbeit hat Weibel, der in der ehemaligen Bäckerei Weibel in Wildegg aufgewachsen ist und heute in Möriken wohnt, nicht überall beliebt gemacht. «Als Bauverwalter gelte ich bei einigen Leuten sicher als sturer Kopf. Aber man kann es in dieser Funktion schlicht nicht allen recht machen.» Dessen ist sich auch Roberto Lüthi bewusst. Der 38-jährige diplomierte Bauverwalter arbeitet seit zwei Jahren bei den RTB und hat per 1. Januar die Nachfolge von Roland Weibel angetreten.

«Dass ich mir in meinem Beruf nicht nur Freunde mache, ist mir klar. Aber es ist mir schon wichtig, zu betonen, dass die Bauverwaltung keine Verhinderungsbehörde ist.» Der in Villmergen wohnhafte Roberto Lüthi blickt mit Vorfreude auf seine künftigen Aufgaben. «Schliesslich werde ich von einem hervorragend ausgebildeten Team unterstützt.»

Stellt sich zum Schluss noch die Frage, womit sich ein Bauverwalter nach seiner Pensionierung beschäftigt. Nun, Roland Weibel hat gerade die Bewilligung für sein eigenes Baugesuch erhalten. Im Frühling wird er in Möriken eine Besenbeiz eröffnen.

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