Ära Rippstein geht nach 39 Jahren zu Ende
Ammerswil: Ruth Rippstein war 39 Jahre lang mit Leib und Seele als Gemeindeschreiberin tätig. Am 15. Mai ist ihr letzter Arbeitstag. Ihre Nachfolge tritt der Lenzburger Stephan Gehrig Anfang Mai an.
Der 15. Mai wird schon ein spezieller Tag werden. Die Ammerswiler sind mir in all den Jahren sehr ans Herz gewachsen, sie sind sozusagen meine Familie», sagt Ruth Rippstein. Beim Adieusagen wird deshalb schon etwas Wehmut mitschwingen. Umso mehr freut sie sich, später einmal auf einen Kaffee in der Kanzlei vorbeizuschauen. Ob es eine offizielle Abschiedsfeier geben wird, ist noch unklar. Je nachdem, wie sich die Coronakrise entwickelt.
«Ich wollte Lehrerin werden»
Einmal Gemeindeschreiberin zu werden, war nicht wirklich der Berufswunsch, den sie als Kind hegte. «Ich wollte Lehrerin werden», sagt Rippstein lachend. Inspiriert von der jungen, motivierten Lehrkraft, bei der In-die-Schule-Gehen einfach Spass machte. Doch die Freude währte nur gerade in der Unterstufe. Damit war Lehrerinwerden vom Tisch.
«Als gerade eine Lehrstelle auf der Gemeinde Birmenstorf frei war, dachte ich mir, eine kaufmännische Lehre ist eine gute Grundausbildung, da bewerbe ich mich», sagt die 64-Jährige, die nach einem kurzen Abstecher nach Turgi nach wie vor in Birmenstorf lebt. Gesagt, getan. Dass sie den Zuschlag bekam, erstaunt nicht wirklich. Nebst ihrer schulischen Qualifikation überzeugte sie bestimmt schon damals mit ihrem sonnigen Gemüt. Das sie bis heute bewahrt hat. «Mich kann fast nichts aus der Ruhe bringen. Ich suche lieber nach passenden Lösungen, statt mich grün und blau zu ärgern», sagt sie.
Liebenswerte Zeitgenossen
Allerdings gibt es auch bei Rippstein die berühmte Ausnahme. «Ich kann es nicht ausstehen, wenn sich Einwohner an Gemeindeversammlungen respektlos gegenüber dem Gemeinderat äussern. Die machen einfach ihre Arbeit. Dass dies nicht immer allen passt, versteht sich von selbst.» Auch in ihrer Funktion als Gemeindeschreiberin erlebte sie nicht immer nur eitel Freude. Gerade der Standort der Natelantenne errege seit längerem die Gemüter. Aber im grossen Ganzen seien die Ammerswiler friedfertige, liebenswerte Zeitgenossen, die sie vermissen werde.
Erster Arbeitstag am 1. August
«Als ich vor 39 Jahren die Stelle als Gemeindeschreiberin angetreten habe, zählte Ammerswil gerade mal 320 Einwohner – heute sind es 710.» Ihr erster Arbeitstag war am 1. August, denn 1981 hatte dieser Tag noch nicht den Status eines Nationalfeiertags. «Der damalige Gemeindeammann drückte mir den Schlüssel in die Hand und wünschte mir einen guten Start», erinnert sie sich. «Und dann war ich ganz auf mich allein gestellt – ausser mir war niemand im Büro. Ich musste Schublade um Schublade öffnen, um herauszufinden, wo was verstaut war. Früher war das mit dem Einarbeiten etwas, das man erst nach Feierabend machte.»
Und so traf sie sich denn mit ihrem Vorgänger Andreas Suter jeweils nach Schalterschluss oder am Samstag, um die Stabsübergabe vollziehen zu können. Computer waren zu dieser Zeit noch kein Thema. Viele Akten wurden von Hand geführt, Kontenblätter mit der Schreibmaschine erstellt. Damals standen zudem die Finanzen, Steuern und das Zivilstandsamt im Pflichtenheft der Gemeindeschreiberin. Und um die Finanzen der Gemeinde zu schonen, wurde die Holzheizung nur unter der Woche eingefeuert. «Wohlverstanden – damals hatten wir noch einen Winter», sagt die 64-Jährige.
Gerne für die Menschen da
Sie sei der geborene Dienstleistungstyp, habe es geliebt, den Ammerswilern bei ihren Anliegen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Zum Glück habe sie sich seinerzeit vom Berufsberater nicht was anderes «einreden» lassen. «Aufgrund der Analyse, wie ich den zu malenden Baum bei der Beratung aufs Papier gebracht habe, wurde ich als extrem freiheitsliebend und somit für einen Dienstleistungsjob in einem Büro als ungeeignet eingestuft», sagt sie schmunzelnd. Freiheitsliebend ist sie aber schon ein wenig, ist sie doch ein überzeugter Single, der jeden Tag so nimmt, wie er kommt. Aber auch dafür sorgt, dass es ein guter Tag wird. «Wenn ich morgen gehen müsste, muss ich mir nicht vorwerfen, etwas verpasst zu haben», betont sie.
Deshalb hat sie keine klaren Vorstellungen, wie ihr Alltag nach dem 15. Mai aussehen könnte. Einzig, dass sie nun ausgiebig Zeit hat zum Zmörgele, gemütlich die Zeitung zu lesen und eine kalte Schoggi dazu zu geniessen. Und – die Jassabende werden nun auf den Nachmittag verlegt und die Velotouren müssen nicht mehr zwingend am Wochenende stattfinden. «Ich habe ein E-Bike, damit kann man wunderbar leicht Kilometer um Kilometer zurücklegen.»
Velotour dem Neckar entlang
So erstaunt nicht wirklich, dass sie damit einfach einmal nach Wien geradelt ist. Velofahren, wandern und mit Freunden Zeit verbringen, das liebt Rippstein über alles. «Zu dritt werden wir im September von Birmenstorf aus zur Quelle des Neckars und diesem Fluss entlang bis nach Mannheim fahren. Zurück gehts dann über den Uferweg des Rheins.» Doch erst geniesst Ruth Rippstein noch die letzten Tage mit ihrer Familie, den 710 Ammerswilern.
Stephan Gehrig wird neuer Gemeindeschreiber
Am 1. Mai wird der Lenzburger Stephan Gehrig die Nachfolge von Ruth Rippstein antreten. Die letzten drei Jahre war der 51-Jährige als Gemeindeschreiber in Moosleerau tätig. «Ganz viele persönliche Puzzleteile haben dazu beigetragen, mich um die frei werdende Stelle zu bewerben», sagt Gehrig. Ammerswil ist ihm bestens vertraut, nachdem er während vier Jahren als externer Finanzverwalter für diesen Bereich der Gemeinde Ammerswil verantwortlich zeichnete. «Ammerswil ist zudem mein Heimatort und Ruth kenne ich schon gefühlte 100 Jahre», ergänzt er lachend. Er freut sich auf die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat und auf die verschiedenen Projekte, die anstehen. Etwa die Revision der Bau- und Nutzungsordnung oder die neue Geschäftsverwaltungssoftware, die zum Zug kommen soll. Und wenn der 51-jährige Single nicht gerade am Arbeiten ist, trifft man ihn beim Skifahren, Schwimmen, Velofahren oder Curlingspielen. (cfr)