700-Seelen-Dorf war von Aussenwelt abgeschnitten
Ammerswil Am Freitag ging gar nichts mehr. Alle drei Zufahrtsstrassen ins Dorf waren wegen umgestürzter Bäume gesperrt.
Dass wir eingeschneit und nicht mehr erreichbar sind, habe ich am Freitag erst kurz vor acht Uhr erfahren», sagt Manuela Page. Sie war mit ihren drei Kindern auf dem Weg zur Schule. «Wegen des vielen Schnees wollte ich sie an diesem Tag begleiten», sagt sie. Unterwegs bekam sie dann von der Schulleitung die Kurzmitteilung aufs Handy, dass die Schule ausfällt. Ammerswil sei zurzeit mit dem Auto nicht erreichbar und nur gerade ein Lehrer habe es ins Dorf geschafft. Wohlverstanden zu Fuss von Lenzburg her.
Für Manuela Page und ihre Kinder hiess das, alles wieder retour. Sehr zur Freude des neunjährigen Lionel und der fünfjährigen Zwillinge Mia und Levin. «Sie hüpften vor Freude und begannen sogleich mit einer Schneeballschlacht. Und später machten wir uns daran, einen Iglu zu bauen», sagt sie. Zum Fertigstellen war dann allerdings noch die Hilfe von Papi Dominic nötig.
Doch Dominic Page musste sich an jenem Freitagmittag das Nachhausekommen mehr als verdienen. Weit über zwei Stunden war er unterwegs – für eine Strecke, die er sonst in 20 Minuten zurücklegt. Da die Zufahrten weder über Lenzburg noch über Dintikon möglich waren, musste er schlussendlich auf Egliswil ausweichen und schaffte es dann doch noch, nach Ammerswil zu kommen.
«Mein Mann hätte jedoch auch bei seiner Mutter übernachten können, wenn er es nicht mehr nach Hause geschafft hätte. Sie wohnt in Oberentfelden, wo Dominic arbeitet», sagt die 42-Jährige. Ob alle Ammerswiler, die es nicht mehr ins Dorf geschafft haben, auch irgendwo untergekommen sind? Im Moment ist es ja nicht ganz einfach, sich bei Kollegen oder Freunden «einzuladen», da ja maximal fünf Personen pro Haushalt erlaubt sind. Zudem sind vermutlich die allermeisten Gasthöfe und Hotels aktuell geschlossen.
Im Dorf sei die Situation, total eingeschneit zu sein, eher gelassen aufgenommen worden. Und nicht wenige freuten sich ob der weissen Pracht und des strahlenden Wetters, das sich später noch dazugesellte. Auch Manuela Page und ihre Familie – auch wenn das Nervenkostüm von Papi Dominic wegen der mühsamen Heimfahrt schon etwas strapaziert wurde. «Man erzählt sich im Dorf, dass es auch den einen oder anderen gab, der nicht so erfreut darüber war, dass die Post nicht wie gewohnt zugestellt wurde. Und offenbar fragten sich auch einige Einwohner, warum es so lange dauerte, bis eine der drei Zufahrtsstrassen geräumt und für den Verkehr wieder offen war», sagt Manuela Page.
Doch sie und die Kinder hätten den Tag einfach genossen. Dies war problemlos möglich, weil die 42-Jährige ohnehin frei hatte und keine Termine wahrnehmen musste. Zudem hat sie – schon während des ersten Lockdowns – einen Notvorrat angelegt. «Meine Nachbarin hat mir zudem anerboten, mich zu melden, wenn ich Eier oder etwas aus ihrer vollen Gefriertruhe brauchen würde. Auch meine Mutter, die ebenfalls im Dorf wohnt, meldete sich. Sie hat Pasta in Hülle und Fülle», sagt Page schmunzelnd.
Das Füreinander-da-Sein und die absolute Ruhe – ohne jeglichen Autolärm – seien eine schöne Erfahrung gewesen. Aber natürlich könne so ein Eingeschneitsein auch Probleme mit sich bringen.