Tipp zum Alltag: In die Weite blicken

Thomas Jenelten

Thomas Jenelten

Weitblick gibt gute Kraft. Illustration: mky

Weitblick gibt gute Kraft. Illustration: mky

Ich wohne in Oberdorf bei Solothurn. Am Fusse des Weissensteins. Ungefähr zweimal in der Woche ziehe ich meine Bergschuhe an und steige auf den Berg. Wenn ich zügig unterwegs bin, dann bin ich in einer guten Stunde oben. Und meistens bin ich zügig unterwegs. Es ist schön, den Rhythmus der Schritte und des Atems zu spüren. Und jedes Mal bin ich dankbar, dass das noch geht. Dass ich meine Muskeln und Gelenke koordinieren kann, dass meine Lungen noch genügend Kapazität haben.

Ich steige zu jeder Jahreszeit auf den Berg. Oft auch am Abend, wenn ich von meinem Dienst bei der Polizei oder im Pflegezentrum heimkehre. Im Winter mache ich meine Wege mit der Stirnlampe. Auch das ist schön. Vor allem wenn der Schnee alles hell macht. Oder wenn die Bäume im Schein der Lampe glitzern.

«Wieso tust du dir das an?», werde ich oft gefragt. «Was suchst du dort oben?» Ich suche die Begegnung mit der Weite und der Freiheit. Das tut mir gut. Es ist schön, in den Sternenhimmel zu gucken. Oder übers Nebelmeer zu schauen. In der Ferne grüsst das Licht auf dem Stockhorn. In der Nähe leuchten die Fenster des Kurhauses Weissenstein.

Ich gehe nie allein auf den Berg. In meinem Herzen sind sie immer dabei –meine Familie, meine Freundinnen und Freunde. Und auch die Menschen, die mir in meiner Arbeit anvertraut sind. Ich hoffe, sie spüren die Weite auch – und auch meine Zuneigung.

Und wenn ich nicht physisch auf den Berg gehen kann, dann schliesse ich für ein paar Atemzüge meine Augen. Ich reise an einen meiner Lieblingsorte und gucke von dort aus in die Weite. Auch das wirkt und erfrischt. Versuchen Sie das doch auch – vor allem wenn die Gedanken zu drehen beginnen. Oder wenn Ihnen die Decke auf den Kopf fällt.

Weite, Freiheit und eine gute Kraft – das wünsche ich Ihnen von Herzen fürs angebrochene Jahr 2022.

«Tipp zum Alltag». Hier schreiben Dozenten des CAS-Studienlehrgangs Achtsamkeit in Lenzburg jeweils in der letzten Ausgabe des Monats über psychologische Aspekte im Alltag. Die Autoren Horst Hablitz, Thomas Jenelten, Jörg Kyburz und Volker Schulte wechseln sich ab.

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