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Matthias Betsche
Matthias Betsche

Der Grosse Rat beschäftigte sich diese Woche mit der Individualbesteuerung und mit der Frage, ob der Kanton Aargau das Kantonsreferendum gegen den Beschluss des Bundesparlaments zur Individualbesteuerung ergreifen solle. Um was geht es bei dieser Individualbesteuerung? Und was ist ein Kantonsreferendum? Der Reihe nach:

Individualbesteuerung

Mit der Individualbesteuerung soll die sogenannte «Heiratsstrafe» abgeschafft werden. Beide Ehepartner sollen neu eine eigene Steuererklärung ausfüllen und separat Steuern zahlen, so wie Konkubinatspaare heute schon. National- und Ständerat haben am 20. Juni Ja gesagt zur Einführung der Individualbesteuerung.

Regierungsrat mit Finanzdirektor Markus Dieth (Mitte) hat daraufhin dem Grossen Rat beantragt, ein Kantonsreferendum gegen diesen Bundesbeschluss zu ergreifen. Er beanstandete, dass mit dem Systemwechsel Einverdienerehepaare sowie Ehepaare mit niedrigem Zweiteinkommen gegenüber Ehepaaren mit gleichmässigerer Einkommensaufteilung ungleich behandelt würden. Die Einverdienerehepaare und Paare mit tiefem Zweiteinkommen würden gegenüber dem Status quo Mehrbelastungen erfahren. Das sei ungerecht und müsse daher abgelehnt werden.

Dies sahen im Grossen Rat nicht alle so. Die Befürworter der Individualbesteuerung führten ins Feld, dass das heutige Steuersystem ein einziges Familienmodell begünstige: eine Person arbeitet viel und die andere nicht oder wenig. Mit der Individualbesteuerung wird das Einkommen jeder Person unabhängig vom Zivilstand besteuert. Damit fällt die diskriminierende Heiratsstrafe weg. Frauen – die in der heutigen Realität meist die Zweitverdienenden sind – werden steuerlich nicht mehr benachteiligt, wenn sie ein höheres Arbeitspensum übernehmen. Die Individualbesteuerung ist gerechter, weil sie niemandem ein Familienmodell vorschreibt, und sie stärkt Gleichstellung und Erwerbsanreize, insbesondere für Zweitverdienende.

Kantonsreferendum

Das Kantonsreferendum zur Individualbesteuerung war im Aargauer Parlament am Dienstag stark umstritten. SVP, Mitte und EVP sprachen sich dafür, FDP, GLP, SP und Grüne dagegen aus. Der Grosse Rat hiess das Kantonsreferendum nach einer über einstündigen Debatte letztlich mit 71 Ja zu 59 Nein gut. Für ein Kantonsreferendum müssen sich acht Kantone innert 100 Tagen nach der amtlichen Publikation eines Bundesgesetzes aussprechen. Der Aargau ist der achte Kanton, somit kommt es zur Volksabstimmung über die Einführung des neuen Steuersystems.

Keine Swisslos-Gelder mehr für Hilfsprojekte im Ausland?

Nebst dem Kantonsreferendum befasste sich der Grosse Rat auch mit einem Vorstoss von Grossräten der SVP und FDP, die Swisslos-Gelder nur noch im Inland einsetzen wollten. Mit dem Vorstoss wollten sie die Swisslos-Fonds-Verordnung so abändern, dass es dem Kanton Aargau nicht mehr erlaubt sei, Hilfsprojekte im Ausland mit Swisslos-Geldern zu unterstützen. Die Motion der SVP- und FDP-Grossräte wurde mit 71 Nein zu 59 Ja klar abgelehnt. Auch ich lehnte diesen Vorstoss entschieden ab. Es geht hier um Menschlichkeit und Solidarität mit den Ärmsten und vielen Hilfsbedürftigen, wie etwa mit den Erdbebenopfern in der Türkei und in Syrien. Die für internationale Katastrophen- und Entwicklungshilfe vorgesehenen 5% der Swisslos-Mittel sind eine kleine, aber wichtige Stütze für Hilfsprojekte im Ausland. Swisslos-Mittel sichern Solidarität und Hilfe im Notfall.

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