Der Musiker, der mit Doktortitel rockt
Lenzburg André Bernath ist promovierter Naturwissenschaftler und trägt den klangvollen Titel «Dr. sc. nat.». Sein Herz aber schlägt für die Musik, und das schon von Kindheit an. Im Ruhestand hat er seine Musikkarriere nun wiederbelebt.
André Bernath sagt: «Ich bin einfach ein angefressener Musiker.» Wer den 67-Jährigen in Aktion erlebt, zweifelt nicht an diesem Satz. Bis zu seiner Pensionierung vor zwei Jahren war er jedoch über 22 Jahre lang als Geschäftsführer der GEO Aargau AG tätig, die meisten seiner Berufskollegen kannten ihn als routinierten Manager und promovierten Naturwissenschaftler.
Akademiker und Rock-Gitarrist
Bernath trug sein Leben lang zwei Hüte: jenen als passionierter Rock-Gitarrist und jenen als engagierter Akademiker. In den Siebzigern studiert Bernath Hydrologie und Klimatologie an der ETH in Zürich.
1980, im Alter von 25 Jahren, beginnt er eine Promotion und untersucht dafür «Beiträge zum Wasserhaushalt des Einzugsgebiets der Rhone bis Gletsch».
«Natürlich habe ich als kleiner Junge von einer grossen Karriere als Rockstar geträumt», erinnert er sich, «meine Eltern hatten daran aber keine Freude, für sie war Rockmusik organisierter Lärm.» Trotzdem macht Bernath mit der Musik weiter, spielt als Gitarrist in einer Rockband und Ad-hoc-Formationen – man braucht schliesslich Hobbys.
Allerdings tritt das Hobby in den Hintergrund, als er seine Doktorarbeit fertigstellt, heiratet und mit seiner Frau in Lenzburg zwei Kinder grosszieht. «Die Musik ist damals in den Hintergrund gerückt, ganz aufgehört habe ich aber nie», sagt der Naturwissenschaftler.
Die Wissenschaft fasziniert ihn, doch auch seine Faszination für die Musik verliert er nie. «Meine erste Gitarre hielt ich mit zwölf Jahren in der Hand – mit dem Spielen habe ich seither nie aufgehört», sagt er. Als Teenager gründet Bernath mit Klassenkollegen – inspiriert von den Beatles – die Band «Rave up».
Mit 18 folgt die zweite Band, «Space in time», mit der Bernath neben seinem Studium schweizweit auf zahlreichen Bühnen steht. Fast gelang in den 80er-Jahren der Durchbruch – aber nur fast. «Wir waren richtig gut», so Bernath, für internationalen Ruhm habe es allerdings nicht gereicht.
Morgens Anzug, abends Lederjacke
«Musik und Naturwissenschaften gingen für mich immer Hand in Hand, insofern gab es nie einen grossen Sprung zwischen den Welten», so Bernath. Das klingt zwar plausibel, trotzdem passiert es nicht alle Tage, dass ein Rockmusiker einen Doktortitel erlangt. «Ich lasse den Doktor nie raushängen. Viele wissen gar nicht, dass ich einen habe», sagt er bescheiden.
Morgens Anzug, abends Lederjacke – geht das überhaupt? «Ich habe nie etwas anderes gekannt», schmunzelt er. Der Wechsel sei immer fliessend gewesen. Musik habe ihn sein ganzes Leben lang begleitet, sie durchflute ihn mit Energie, nicht nur bei Auftritten.
Seit vier Jahren ist die Berufswelt zur Vergangenheit geworden, und die Musik – neben der Familie – wieder zum Lebensinhalt geworden. Der Lenzburger spielt und tourt wieder mit seiner Jugendband «Rave up», ist in unzähligen Vereinen organisatorisch aktiv und macht mit verschiedenen Ad-hoc-Formationen Musik.
Neu auch eine One-Man-Show
In seinem rund 30 Quadratmeter grossen Studio, einige Meter von seinem Wohnhaus in Lenzburg entfernt, komponiert er, nimmt Songs auf und jammt mit Bandkollegen. Über 26 Gitarren stehen hier nahtlos aneinandergereiht an der Wand, daneben unzählige weitere Instrumente, Verstärker und ein grosses Mischpult.
Doch das ist noch nicht alles: Seit zwei Jahren ist der umtriebige Rentner auch als «One Man Bluesband» alias «Stompin’ Blues Buddy» unterwegs. In seiner «One-Man-Show» überzeugt Bernath mit authentischen, bluesbasierten Eigenkompositionen. Er singt, spielt Gitarre, Bluesharp und ist – mit Unterstützung eines sogenannten «Farmer Foot Drums», einem raffinierten Fusspedal zur Erzeugung von Schlagzeugtönen – wie eine ganze Blues-Band in einem Mann.
Für viele ist André Bernath von der Bühne nicht wegzudenken – und das will er auch so: «Ich mache seit 60 Jahren Musik. Solange ich eine Gitarre in der Hand halten kann, wird das auch so bleiben.»