Das soziale Rückgrat der Region

Lenzburg Immer mehr Familien, Kinder und Erwachsene im Bezirk Lenzburg brauchen Hilfe – und sie finden sie beim SDRL. Der Gemeindeverband bündelt Fachwissen, setzt auf Prävention und zeigt, warum soziale Arbeit mehr ist als Krisenmanagement. Bald könnten es allerdings nur noch 17 Gemeinden sein: Möriken-Wildegg will den Austritt aus dem Verband beantragen.

Am Standort Lenzburg laufen die Fäden der Sozialen Dienstleistungen Region Lenzburg für 18 Gemeinden zusammen.Foto: zvg
Am Standort Lenzburg laufen die Fäden der Sozialen Dienstleistungen Region Lenzburg für 18 Gemeinden zusammen.Foto: zvg

Was tun, wenn eine Familie in der Krise steckt, das Geld knapp wird oder ein Kind plötzlich nicht mehr in die Schule geht? Die Antworten darauf kennt das Team der Sozialen Dienstleistungen Region Lenzburg (SDRL) – eine Organisation, die für 18 Gemeinden im Bezirk Lenzburg zur zentralen Anlaufstelle in sozialen Fragen geworden ist. Unter der Leitung von Präsident Josef Niederberger setzt der Verband auf gebündeltes Fachwissen, moderne Strukturen und viel Erfahrung, um Menschen in schwierigen Lebenslagen zu begleiten.

Ein Netzwerk für alle

Der SDRL ist weit mehr als eine reine Beratungsstelle. «Durch die Bündelung von Ressourcen und Fachwissen können wir Aufgaben übernehmen, die für einzelne Gemeinden alleine kaum zu stemmen wären», betont Josef Niederberger, Präsident der Sozialen Dienstleistungen Region Lenzburg. Ob es um eine Erbschaftsteilung, die Platzierung eines Kindes in einer Einrichtung, Unterstützung bei finanziellen Problemen oder eine heikle Trennung geht – das interdisziplinäre Team, bestehend aus Sozialarbeit, Recht, Psychologie, Pädagogik und Betriebswirtschaft, ist für jede Lebenslage gewappnet. Mit aktuell rund 60 Mitarbeitenden und über 2000 begleiteten Personen pro Jahr ist der SDRL eine der grössten sozialen Organisationen im Kanton. Der Verband setzt auf Spezialisierung: Die Fachbereiche «Jugend- und Familienberatung», «Beratung Erwachsene» sowie «Finanzen und Administration» arbeiten Hand in Hand, tauschen sich regelmässig aus und profitieren von gemeinsamen IT-Lösungen und Weiterbildungen. So werden Synergien genutzt und Doppelspurigkeiten vermieden.

Psychische Belastungen. fehlende Therapieplätze

Ein Blick in die Praxis zeigt: Die Anforderungen an die soziale Arbeit wachsen stetig. «Die Fälle sind deutlich komplexer geworden», berichtet Niederberger. Besonders psychische Belastungen bei Kindern und Jugendlichen nehmen zu. Gleichzeitig fehlen im Kanton Aargau Therapie- und Sonderschulplätze, was für die Betroffenen wie auch für die Fachleute einen grossen Mehraufwand bedeutet. Auch Erwachsene kämpfen vermehrt mit psychischen Problemen, Einsamkeit oder Überforderung im Alltag – Themen, die beim SDRL längst zum Alltag gehören. Ein weiteres wachsendes Feld ist die freiwillige Beratung rund um Trennungen oder Erziehungsfragen. «Oft suchen Eltern Unterstützung, weil sie merken, dass die Kinder unter Streitigkeiten leiden», erklärt Niederberger. Die Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen, sei dank des niederschwelligen Angebots relativ gering: «Unsere Beratungsstelle ist bewusst neutral benannt und nicht direkt an die Gemeindeverwaltungen angebunden. Das erleichtert den Zugang – und schützt die Privatsphäre der Ratsuchenden.»

Prävention statt Notmassnahmen

Ein wichtiger Grundsatz der Arbeit beim SDRL ist die Prävention. «Je früher Probleme erkannt werden, desto einfacher lassen sie sich lösen», ist Niederberger überzeugt. So bietet das Team zum Beispiel seit eineinhalb Jahren für Eltern von dreijährigen Kindern eine gezielte Entwicklungsberatung an. Auch freiwillige Familienberatungen zeigen Wirkung: «Bieten die Gemeinden früh Unterstützung an, kann oft verhindert werden, dass es später zu teuren behördlichen Massnahmen kommt.»

In den vergangenen zwei Jahren hat sich der SDRL stark weiterentwickelt: Neue Führungsmodelle und Teamstrukturen sorgen für mehr Eigenverantwortung und bessere Abläufe. Künftig werden alle Fachbereiche an einem Standort in Lenzburg zusammengeführt – ein Meilenstein für die Organisation. Zudem prüft das Leitungsteam, wie digitale Beratungsangebote weiter ausgebaut werden können, ohne dabei den persönlichen Kontakt zu vernachlässigen.

Klare Forderungen an Politik und Gemeinden

Die Arbeit des SDRL lebt von der Zusammenarbeit: mit Gerichten, Schulen, Ärztinnen und Ärzten, aber auch mit der Bevölkerung. Dabei geht es immer um den Menschen im Mittelpunkt. «Wir begegnen unseren Klientinnen und Klienten auf Augenhöhe und setzen auf nachhaltige Lösungen», sagt Niederberger. Das Ziel: Hilfe zur Selbsthilfe und der Aufbau eines stabilen sozialen Netzes in der Region. Wünsche an die Politik und die Gemeinden hat Niederberger auch: «Es braucht das Verständnis, dass soziale Dienstleistungen im Verbund effizienter, professioneller und letztlich auch günstiger erbracht werden können. Ebenso wichtig sind freiwillige Beratungen als Ergänzung zu gesetzlichen Massnahmen. Wer hier investiert, spart später Kosten und stärkt das Miteinander in der Region.»

Kürzlich wurde bekannt, dass die Gemeinde Möriken-Wildegg ihren Austritt aus dem Gemeindeverband Soziale Dienstleistungen Region Lenzburg an der nächsten Gemeindeversammlung beantragen möchte.

Präsident Josef Niederberger, selbst wohnhaft in Möriken-Wildegg, sagt: «Die Bevölkerung von Möriken-Wildegg würde nach einem Austritt ein sehr gutes, breites und professionelles Beratungsangebot verlieren, das bisher für alle Einwohnerinnen und Einwohner von Möriken-Wildegg zur Verfügung stand und im Jahr 2024 von mehr als 180 Personen aus Möriken-Wildegg in Anspruch genommen wurde».

Er befürchtet, dass es durch den Austritt aus dem SDRL vor allem im freiwilligen Beratungsbereich zu Einsparungen kommen wird, was längerfristig wieder höhere Kosten für die Gemeinde verursachen wird.

Mehr zu den Sozialen Dienstleistungen Region Lenzburg unter www.sdrl.ch.

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