Bibliotheken erleben Aufschwung
Region Die Bibliotheken in Lenzburg und Region erleben aktuell gute Zeiten. Nachfrage und Ausleihzahlen steigen. Bei den Kleinsten ist vor allem ein Medium besonders beliebt.
Bibliotheken sind keineswegs ein Relikt der Vergangenheit. Doch wer bei einer Bibliothek an Regale voller uralter Wälzer im schummrigen Licht von Öllampen denkt, aus denen beim ersten Aufklappen vergilbte Ausleihkarten herausfallen, liegt falsch. Tatsächlich sind Bibliotheken am Puls der Zeit, fast alles läuft digital ab. Auch die entleihbaren Medien beschränken sich schon lange nicht mehr auf Bücher. Im Angebot sind E-Books, CDs und DVDs. Zu finden sind auch Spiele oder «Tonie-Figuren» – sozusagen die Kassetten von heute.
«In der Bibliothek ist es nicht mucksmäuschenstill, und wir freuen uns, dass das so ist», sagt Barbara Hediger. Sie leitet die Stadtbibliothek Lenzburg seit acht Jahren. «Die Bibliothek soll ein lebendiger Ort sein, an dem sich Menschen begegnen.»
Ein Ort der Begegnung
Wenn in einer Bibliothek Verse aufgesagt, Lieder gesungen und Fingerspiele gezeigt werden, scheint dies auf den ersten Blick mit Lesen und Büchern nicht viel zu tun zu haben. Doch Fingerspiele, Reime und Geschichten bieten Kleinkindern einen spannenden Einstieg in die Bücherwelt. Bibliotheken haben längst nicht mehr den Charakter einer humorlosen Einrichtung, in der man sich möglichst schnell Lesestoff aussucht, um ihn dann möglichst rasch wieder zu retournieren.
Nicht nur Medien, sondern auch Veranstaltungen sind ein wichtiger Bestandteil des Angebots und der Vermittlung. So werden sowohl in der Stadtbibliothek Lenzburg wie auch in den Gemeindebibliotheken Rupperswil, Möriken-Wildegg, Seon und Seengen zahlreiche Veranstaltungen und Workshops für (Klein-)Kinder und Jugendliche angeboten. In Möriken-Wildegg gibt es zudem einen «Lesehund»: Kinder mit einer Leseschwäche können einem speziell ausgebildeten Hund etwas vorlesen und so ihr Selbstbewusstsein beim Lesen fördern.
Auch in der Agenda der Stadtbibliothek Lenzburg tauchen immer wieder grosse und kleine, feine Anlässe auf: etwa der Bucherlebnisweg, der Buchstartmorgen und die Geschichtenstunden für Kinder von drei bis sechs Jahren sowie das Lesetandem. Letzteres erfreut sich so grosser Beliebtheit, dass bereits eine Warteliste besteht. «Falls sich jemand als Mentor engagieren möchte, sind wir offen», sagt die engagierte Bibliotheksleiterin. «Es ist kein Geheimnis, dass Kinder und Jugendliche in der Schweiz immer schlechter lesen. Deshalb engagieren wir uns stark für die frühe Sprach- und Leseförderung und arbeiten eng der Schule zusammen», sagt sie.
Im Dezember steht für die Stadtbibliothek ein grosses Highlight an. Dann nämlich feiert sie ihr 210-jähriges Bestehen. «Es wird eine grosse Geburtstagsparty für Kinder im Vorschulalter und ihre Begleitpersonen geben», verrät Hediger.
Tonie-Ausleihe voll im Trend
Neue Angebote haben das Medienkonsumverhalten in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Das wirkt sich auch auf Bibliotheken aus. Im Bibliotheksangebot gibt es schon längst E-Books, CDs und DVDs. Zu finden sind vielerorts neu auch Tonies. In Möriken-Wildegg und Rupperswil seit rund einem Jahr, in Lenzburg seit Januar. In Lenzburg sind an die 100 Figuren – vom Chasperli bis zum Räuber Hotzenplotz – ausleihbar. «Wir haben die Tonie-Hörspielfiguren auf vielfachen Wunsch angeschafft. Sie erfreuen sich bei unseren jüngsten Benutzern grosser Beliebtheit», so Hediger.
Auch in Seengen sind die Figuren im Trend: «Unser absoluter Ausleihrenner sind Tonie-Figuren, sie werden im Schnitt rund zwölfmal pro Jahr ausgeliehen», sagt Bibliotheksleiterin Daniela Studer.
Anna Annaheim von der Gemeindebibliothek Rupperswil stellt fest: «Bibliotheken verwandeln sich. Sie werden immer mehr zum Begegnungs- und Aufenthaltsort und werden digital. Wir steuern den Kurs immer mehr in diese Richtung und planen für die Zukunft einige Änderungen, auf die sich unsere Benutzer jetzt schon freuen können.» Die Zahlen geben ihr recht: In den vergangenen zwei Jahren sind in Möriken-Wildegg die Ausleihen elektronischer Medien um beinahe 50 Prozent angestiegen.
In Möriken-Wildegg und Rupperswil dagegen abnehmend sind die Ausleihzahlen von DVDs und klassischen Hörbüchern. «In den kommenden Jahren werden diese wahrscheinlich mehrheitlich aus dem Sortiment fallen, da Streamingdienste wie Netflix diesen den Rang ablaufen», vermutet Manuela Lo von der Gemeindebibliothek Möriken-Wildegg.
Globi und Zilly hoch im Kurs
An allen Standorten nahmen die Ausleihen im letzten Jahr um einige Prozent zu. In Lenzburg liehen die Kinder 30 Prozent mehr aus wie in den Jahren zuvor, und in Seengen konnten 2022 zum ersten Mal mehr als 40000 Ausleihen verzeichnet werden.
Hoch im Kurs sind bei den Teenies in der Region «Greg’s Tagebücher» sowie Klassiker wie die «Harry-Potter-Saga», die somit 25 Jahre nach der Erstpublikation eine neue Generation von Lesern gefunden hat. Die Kleineren dagegen sind Globi-Fans. Die blaue Mischung aus Papagei und Mensch ist auch noch 90 Jahre nach Erscheinen des ersten Buchs hoch im Kurs. Ebenfalls beliebt: Zilly-Bilderbücher sowie die Buchreihe Findus und Peterson. Bei den Erwachsenen sind Krimis beliebt - und momentan die Bücher der Familiensaga «Die Sieben Schwestern». Die Stadtbibliothek Lenzburg hat das eben erschienene letzte Buch gleich viermal angeschafft – alle sind auf Wochen reserviert.
Trotz digitalem Wandel: Die Bibliotheken blicken zuversichtlich in die Zukunft. Denn auch wenn der Tod des Buchs regelmässig kolportiert wird, ist kein signifikanter Rückgang bei der Buchausleihe festzustellen. Bücher werden demnach auch in Zukunft fundamental für die Gesellschaft sein.
«In der Bibliothek können die Kunden abseits der digitalen Welt in ein Buch versinken; bis der Deckel zugeschlagen wird und nicht, bis der Akku leer ist», resümiert Daniela Studer.