Züglete an Ort
Es war höchste Zeit. Es musste sein. Nach Jahrzehnten war die Lebensdauer abgelaufen. Der Spannteppich im Elternschlafzimmer wies speziell vor der Balkontüre Stellen ohne Fasern auf. Wieso ausgerechnet in diesem Raum als einzigem kein glatter Boden verlegt worden war, lässt sich im Nachhinein kaum mehr eruieren.
Nun musste oder durfte der abgehalfterte Staub- und Milbenfänger einem Parkettboden weichen. Der Handwerksbetrieb war schnell bestimmt, die Wahl erfolgte rasch: «Eiche Landhausdiele, weiss geölt, astig» sollte es sein.
Die Vorfreude war gross, aber die Konsequenzen zeichneten sich vorerst nur vage ab. Einen Bodenbelag rauszureissen und einen neuen zu verlegen, bedingt die komplette Räumung eines Zimmers: Die ganze Bettstatt mit Umbau, mehrere Kommoden und Gestelle mussten raus, in andern Zimmern zwischengelagert werden. Für eine Nacht musste eine provisorische Schlafgelegenheit in einem früheren Kinderzimmer eingerichtet werden.
Diese hausinterne Züglete war zudem eine gute Gelegenheit zum Hinterfragen: Was braucht es noch? Was nimmt nur Platz weg? Erst wenn man durch äussere Umstände, höhere Gewalt quasi, gezwungen wird, solche Überlegungen anzustellen, wird man sich bewusst, was sich in einem halben Leben alles Überflüssiges angesammelt hat. Erinnerungen tauchen auf und nicht selten fällt es schwer, sich zu trennen.
Doch am Tag darauf – die Bodenlegerprofis arbeiten sehr speditiv – überdeckt die Freude über den neuen Parkettboden den Trennungsschmerz. Zurückgeräumt wird nur, was man wirklich noch braucht. Und staunt über die neue Übersicht. Dumm nur, wenn man realisiert, dass es noch andere Räume im Haus gibt, die es auszumisten gälte. Und auch dem eigenen Kopf täte ein neuer Parkettbelag nicht schlecht samt Trennen von alten, überholten Denkweisen.
Fritz Thut, ehemaliger Redaktionsleiter