«Vereinsamung ist das einzige Kreuz des Alters»
Lenzburg Die Stiftung Müllerhaus engagiert sich vermehrt im Bereich Freiwilligenarbeit. Um das Angebot zu lancieren, lud man zu einem Netzwerktag mit interessanten Vorträgen, unter anderem von Philosoph und Autor Ludwig Hasler.
Die Freiwilligenarbeit ist ein neues wichtiges Standbein im Sektor Gemeinnützigkeit der Stiftung Müllerhaus (vgl. Artikel in der Ausgabe vom 1. Juni). Als Startschuss zum neuen Angebot, das auch individuelle Beratung von Interessierten umfasst, lud die Organisation unter dem Titel «vereinigt engagiert» zu einem Netzwerktag ein.
Verschiedene Institutionen präsentierten im ersten Stock des Müllerhauses ihre Möglichkeiten und luden zum direkten Austausch ein. Im Zentrum stand jedoch eine Reihe von Referaten zum Thema. Die für die Bereiche Soziales, Gesundheit und Gesellschaft zuständige Stadträtin Beatrice Taubert strich in ihrem Grusswort die Bedeutung der Freiwilligenarbeit hervor: «Sie ist unbezahlt, aber auch unbezahlbar.»
Dieser Dienst von Menschen an Menschen «funktioniert nicht auf behördliche Verordnung». Sie unterstütze alle Initiativen, die Mitmenschen unabhängig vom Alter zur Freiwilligenarbeit animierten. Beispielsweise gelte es, «das Potenzial von fiten Jungsenioren abzuholen».
Lebenslanger Lebensnachmittag
Hauptredner war der Philosoph, Physiker und Publizist Ludwig Hasler. Sein Bestseller «Für ein Alter, das noch was vorhat. Plädoyer fürs Mitwirken an der Zukunft» war mitverantwortlich für die Gründung des neuen Müllerhaus-Angebots. «Das wusste ich bis jetzt nicht», verriet er einleitend.
Nüchtern und tiefgründig analysierte der 78-jährige Hasler in seinem freien Vortrag seine Altersgenossen. Viele Senioren könnten sich selber helfen: «Der sogenannte Lebensabend hat sich längst in einen lebenslangen Lebensnachmittag verwandelt.» Doch befriedigen immer mehr Kreuzfahrten und Golfrunden die agilen Alten? Hasler verneinte natürlich die selbst gestellte Frage. Nicht Konsum, sondern nur Beziehungen schaffen gute Laune.
«Vereinsamung ist das einzige Kreuz des Alters», ist der Autor überzeugt und rät, «etwas mehr als sich selbst in Bewegung zu bringen». Da Senioren nicht gewohnt seien, sich selbst Aufgaben zu geben, sei Kreativität oder Hilfe von aussen gefragt: «Mein liebster Gedanke ist, mit 80 mitwirken an einer Zukunft, die ich wohl nicht mehr erlebe.»
Heidi Schatzmann, die Präsidentin der Städtischen Hilfsgesellschaft, ergänzte aus der Praxis: «Die Freiwilligenarbeit verändert sich laufend, aber das Geben und das Nehmen bleiben wichtig. Ohne die Freiwilligenarbeit wäre unsere Welt kälter.»