Theatertheater
Die Justizvollzugsanstalt Lenzburg (JVA), im Volksmund Strafanstalt oder Fünfstern genannt, geniesst bei denEinheimischen eineerstaunlich hohe Akzeptanz. Viele empfinden sie sogar als Stück Lenzburger Identität, vergleichbar mit Schloss, Hero (Tendenz abnehmend …) oder Jugendfest. Dazu trägt sicher der – im doppelten Sinne – gute Ruf bei: Der nunmehr seit 20 Jahren amtierende JVA-Leiter Marcel Ruf wurde von den Medien auch schon als «innovativster Gefängnisdirektor» der Schweiz bezeichnet: Er habe mit «Drohnenabwehr, Tiertherapie, Altersabteilung, Gefängnistheater» die Strafanstalt Lenzburg zu einem der «besten und modernsten Gefängnisse der Welt» gemacht. Ein Teil dieser Erfolgsgeschichte ist zweifellos eine von Transparenz geprägte Führungs- und Kommunikationskultur. Auch wenn ein «Tag der offenen Tür» – von der Natur der Sache her – eher schwierig durchzuführen ist, können sich (interessierte) Lenzburgerinnen und Lenzburger doch ein recht gutes Bild davon machen, was hinter Schloss und Riegel so vor sich geht. Dazu gehört auch die seit längerer Zeit gepflegte «Gefängnistheater»-Tradition, die jüngst durch einen Vorstoss eines Grossrats in die Kritik geriet: Er witterte wegen eines von ihm als allzu freizügig empfundenen Punk-Konzert-Werbefotos der Regisseurin, das absolut rein gar nichts mit dem «Gefängnistheater» zu tun hatte, Sicherheits- und Sexualisierungsprobleme für die Strafanstalt. Ein fürs Stammpublikum der JVA-Theateraufführungen wunderlicher Verdacht – des verworrenen Bedenkenkonstrukts, aber auch der Relationen wegen. Apropos Verhältnismässigkeit: Vielleicht ist es jedoch sogar ein positives Zeichen, wenn heute die JVA bloss wegen eines halbnackten Tatsächelchens negativ in die Schlagzeilen gerät. Vor allem, wenn man sich jener nicht so guten alten JVA-Lenzburg-Zeiten erinnert, in denen Gefangenmeutereien, Personal- und Führungsprobleme sowie anderweitige Turbulenzen und Querelen regelmässig für echtes politisches «Gefängnistheater» sorgten.
Peter Buri, Lenzburg