Salzkorn: Telefonieren
Wie oft habe ich wohl an dieser Stelle vom Licht am Ende des Tunnels oder vom Silberstreifen am Horizont geschrieben. Jedes Mal war es ei-ne Fehlanzeige. Doch jetzt keimt wirklich Hoffnung auf – ich spüre das im Moment ganz nah.
Warum? Bis Ende Februar bin ich in der Schweiz im Einsatz, und zwar betreue ich zusammen mit gefühlten Hunderten von Personen die Covid-Hotline. Das bedeutet täglich neun Stunden am Telefon. Für mich persönlich die Gelegenheit, ein Polster anzulegen, sollte sich die Situation bis zum Saisonbeginn nicht beruhigen. Doch die so langsam eintrudelnden Buchungen stimmen freudig.
Wir Telefonierenden kennen uns kaum, zu unterschiedlich sind die Arbeitseinsätze. Aber mich treibt die Neugier, und so erzählten mir doch die einen oder anderen von ihren Beweggründen, wieso sie diese Arbeit verrichten. Hinter mir ein ehemaliger Geschäftsführer in der Gastrobranche. Er ist wie viele andere froh um den Verdienst. Schräg links von mir nimmt mein anderer heutiger Mitstreiter sprachgewandt die Anrufe entgegen. Er spricht vier Sprachen fliessend, ist jedoch seit langer Zeit arbeitslos. Für ihn die Chance, sich wieder im Arbeitsleben zurechtzufinden. Seine erste Antwort auf meine Frage nach dem Warum: «Ich will hier natürlich Millionär werden.» Das Schmunzeln konnte ich wegen der Maske nur an seinen lachenden Augen erkennen.Die Arbeit ist anstrengend, erfordert Geduld, Fach- sowie Menschenkenntnisse und Nerven, wenn sich ein von der Situation überforderter Anrufer Luft verschafft. Zu Beginn meines Einsatzes im Dezember konnte ich die Situation kaum ertragen. Zu fremd, zu weit weg von meinem Liebsten, zu alleine. Aber jetzt, nachdem ich die vielen Gründe des Einsatzes gehört habe, bin ich dankbar. Dankbar dafür, dass sich diese Zeit dem Ende nähert und ich mich endlich der Bestimmung wieder widmen darf, für welche ich mein Leben geändert habe – als Gastgeberin, um unseren Gästen einen besonderen Aufenthalt zu bieten. Viele andere wissen noch nicht, wie es nach der Pandemie für sie beruflich weitergehen soll.