Salzkorn: Alltag im Paradies oder Routinestopp
Wer hat sie nicht? Die alltägliche Routine. Sie hat viele Vorteile: Man kommt rechtzeitig ins und aus dem Bett, man bleibt fit und kriegt den ganzen Alltagskram geschafft. Ausserdem gibt einem Routine die Illusion, dass man weiss, was kommt, und das vermittelt das Gefühl von Halt. Erwachsene haben aber oftmals die Tendenz, im Alltag Scheuklappen aufzusetzen. Man vergisst, den Moment bewusst zu erleben und spult einfach das Tagesprogramm ab.
Gut, gibt es Sommerferien und Kinder! Letztere sind es nämlich, die mich öfter daran erinnern, auf Pause zu drücken. Mit kleinen Dingen wie «Schau, der schöne Schmetterling!», einem improvisierten Kinderkonzert ganz zu ehren von Mama oder auch einem Wehwechen wird man just wieder in den Moment befördert. Diese Momente schätze ich sehr, sie zwingen mich innezuhalten und geben mir oftmals die Chance für Dankbarkeit. Eine Planänderung von Routine sind auch Ferien.
Die Sommerferien der Kinder waren kürzlich für mich Anlass dazu, dass es mir wie Schuppen von den Augen fiel: Im Paradies leben war für mich zum Alltag geworden. Diesmal war es die Natur, in der wir uns dank den Ferien viel öfter aufhalten als gewohnt, die mir die Scheuklappen abriss. Wir waren schwimmen und plötzlich waren wir umringt von unzähligen, harmlosen Schirmquallen, die mit einer Gemächlichkeit durchs Wasser dümpelten, als wären sie nicht von dieser Welt.
Schlagartig sah ich es wieder: den weissen Sandstrand, die Palmen, deren lange Wedel im Wind tanzen, das türkisblaue Meer. Vor meiner Nase war all diese Schönheit und schon eine ganze Weile hatte ich keine Augen mehr dafür gehabt. Das schlechte Gewissen liess nicht lange auf sich warten. Zeit, etwas zu ändern. Ich nahm mir vor, ab jetzt bewusster auf Pause zu drücken, jeden Tag, einfach kurz das Vorher und Nachher ausschalten und wieder ankommen – im Paradies auf Erden.
Melanie Solloso
Siargao Island, Philippinen
Melanie Solloso