Freiheit der Bedeutungslosigkeit

Eine Parkbank bei Nacht auf dem Gofi:
Lena: Schau mal die Sterne. Verrückt, oder? Jeder von denen ist wahrscheinlich hundertmal so gross wie unsere Sonne, und doch sehen sie aus wie winzige Lichtpunkte.
Noah: Tja, das relativiert einiges. Irgendwie sind wir nicht mal ein Wimpernschlag für das Universum.
L: Weltschmerz?
N: Nein, ich finde das gar nicht deprimierend. Eher befreiend.
L: Wie das?
N: Na ja, denk doch mal nach. Wir bestehen aus genau denselben Bausteinen wie alles andere. Kohlenstoff, Wasserstoff, ein paar Protonen, Neutronen, Elektronen – das war’s. Kein Unterschied zwischen uns, einem Stein oder einer Eiche. Und trotzdem rennen alle rum und versuchen, sich krampfhaft als besonders darzustellen.
L: Das ist doch nur normal. Niemand will nur irgendein zufälliger Materiehaufen sein.
N: Aber genau das sind wir. Und das ist doch eigentlich genial! Wir müssen nicht einzigartig sein.
L: Also findest du es sinnlos, sich von anderen abzuheben?
N: Ich sage nur, es ist völlig egal. Die Leute stressen sich, um bedeutend zu sein – mit Tattoos, Followerzahlen, teuren Klamotten – aber warum?
L: Damit sie sich selbst davon überzeugen können, dass sie mehr sind als der Rest.
N: Und genau davon müssen wir uns befreien. Weil du dann Dinge nicht mehr tust, um jemand zu sein, sondern einfach, weil du sie tun willst.
L: Also ist für dich die Bedeutungslosigkeit in Wahrheit Freiheit?
N: Genau! Wir müssen niemandem nichts beweisen. Wir können einfach sein.
L: Du hast recht. Es ist gar nicht so schlimm, einfach nur ein winziger Teil vom Ganzen zu sein.
N: Im Gegenteil: die absolute Befreiung von allem.
L: Nein, die Befreiung von unserer Verantwortung, wie wir mit dieser Welt umgehen, kann damit nicht gemeint sein.
N: Da gebe ich dir recht.
L: Wenn irgendetwas in dieser Welt Bedeutung hat, dann, dass ich dich liebe.
N: Da gebe ich dir mehr als recht!
Tinu Niederhauser