Post aus Spreitenbach: Adieu Spreitenbach
Als neu gewählte Grossrätin gebe ich gerne einen kurzen Erfahrungsbericht aus der Sicht von einem Frischling (gemäss Wikipedia nicht nur junges Wildschweinchen, sondern ganz einfach Neuling) im Grossen Rat des Kantons Aargau.
In der Umweltarena von der Umwelt abgeschnitten
Seit dem 12. Mai 2020 tagt der grosse Rat wegen Corona in der Umweltarena in Spreitenbach anstelle des ehrwürdigen Grossratsgebäudes in Aarau. Gerade wir neu gewählten Grossrätinnen und Grossräte waren bei unserem Start in den politischen Alltag in der geräumigen Halle etwas verloren; in der grossen Umweltarena fühlt man sich manchmal von der Umwelt abgeschnitten.
Der Austausch mit den erfahrenen Ratsfüchsen und natürlich auch -füchsinnen litt unter den grossen Abständen. So gerne hätten wir erfahrenen Personen über die Schulter geschaut und uns darüber ausgetauscht, was es gerade zu beachten gilt bei der enormen Vielfalt der Geschäfte.
Im Ratsalltag herrscht eine eindrückliche Papier- beziehungsweise Mailflut und als Neuling staunt man immer wieder, was die Menschheit, oder genauer die Politik, so alles beschäftigt. Je nach beruflichem Background, politischer Gesinnung, Interessen als Gemeindevertreter verfolgt man unterschiedliche Ziele auf der Suche nach einem gemeinsamen Ziel.
Ausgiebige, fundierte Diskussionen
Diese Woche wartete eine reich befrachtete Traktandenliste zu Themen wie Senkung der Firmensteuern, Tierseuchengesetz, Kohlendioxid-Emissionshandel, Sicherheitsdienstleistungen in kantonalen Asylunterkünften etc. Es wird ausgiebig wie auch fundiert diskutiert.
Die Neuen sind gefordert, die Informationsflut zu meistern und den Überblick bei all den Motionen, Petitionen sowie Interpellationen zu behalten. Aber wie sagte einmal Johann Gottfried Seume: Wenn wir nicht von vorne anfangen, dürfen wir nicht hoffen, weiterzukommen.
Wir Neuen haben den Anfang gewagt mit einem Sprung ins kalte Wasser und schwimmen mit kräftigen Zügen wacker mit. Wir sind fest entschlossen, mitzuwirken, auch wenn die Kluft zwischen Wollen und Handeln manchmal tief in unserer menschlichen Natur verankert zu sein scheint.
Diese Erfahrung mit Hindernissen wird schon seit Tausenden von Jahren immer wieder thematisiert: in der Literatur, im Volksmund wie auch in klugen Reden und Zitaten weiser Männer und Frauen. Die Kluft ist aber auch nicht unüberwindlich, sonst hätte Shakespeare nie den Hamlet geschrieben und Beethoven nie seine 5. Sinfonie komponiert.
Der wichtigste Ort im Kanton?
Während mehr als 12 Monaten Zeit durften wir im Ostaargau das Gastrecht geniessen und würden jetzt aber gerne adieu Spreitenbach sagen und uns auf den Ratsbetrieb in der Kantonshauptstadt freuen. Obwohl: Bei einer Umfrage unter den Aargauer Jugendlichen könnte bei einer Frage nach dem wichtigsten Ort im Kanton Aargau die Antwort fallen: Spreitenbach …