Lasst mich leben: Gegner und Befürworter beginnen ihren Abstimmungskampf
Ammerswilerstrasse Im September befindet der Souverän über die Sanierung der Ammerswilerstrasse.
Am 22. September stimmen die Lenzburgerinnen und Lenzburger über die Sanierung der Ammerswilerstrasse ab. Der Antrag für die Sanierung kam vom Stadtrat mit Ressort-Vorsteher und Stadtpräsident Daniel Mosimann an den Einwohnerrat. Befürwortend für die Pläne zeichneten GLP, Mitte, EVP und die SVP. Dagegen stimmten FDP, Grüne und SP. Die Mehrheit des Gremiums nahm die Vorlage an. Kurz darauf informierte die IG Ammerswilerstrasse die Medien, dass sie das Referendum ergreife. Rund 870 Unterschriften später wurde die Abstimmung angekündigt. Nun entscheiden die Lenzburgerinnen und Lenzburger an der Urne «Nein» im Sinne der IG Ammerswilerstrasse oder «Ja» im Sinne der Stadt und der Einwohnerratsmehrheit. Seit Montag ist bekannt, dass sich als Gegenstück zur IG ein Komitee von gegnerischen Stimmen aus GLP, Mitte, EVP und SVP gründete. Die Erarbeitung des Projektes war eine Zusammenarbeit zwischen Stadt und Kanton.
Lenzburg hat dabei ein Wörtchen mitzureden, da es sich um eine Angelegenheit innerorts handelt. Ausserorts ist der Beginn der Strassensanierung auf Frühling 2026 angesetzt. Es liegt im Interesse des Kantons, die gesamte Strasse im gleichen Standard zu sanieren. Für die IG ist das Vorhaben überdimensioniert. Sie befürchtet eine Verkehrszunahme. Und es bringe keine nennenswerten Vorteile gegenüber den punktuellen Optimierungen, die sie anstrebt. Die Befürworter der Sanierung sehen dies anders. In einer Medienmitteilung schreiben sie, es würde sicherer und ruhiger werden.
Kosmetisch einwandfrei, aber übersteht die Vorlage die Abstimmung?
Die Sanierung beinhaltet beidseitige Gehwege, die Korrektur der Strassenführung in Form einer minimalen Begradigung, die Baumreihe soll erhalten bleiben, beim Kindergarten Widmi ist eine Querungsstelle mit Mittelinsel für Fussgänger vorzusehen sowie der Ausbau der Bushaltestelle Friedweg ist geplant. Es klingt wie ein Gedicht. Doch es klingt halt nur. Denn nach einer hitzigen Debatte im Einwohnerrat kamen in kurzer Zeit rund 870 Unterschriften zusammen. Wahrlich, nicht alle Lenzburger standen über die Auffahrtstage am Gotthard. Es war also seit Juni klar, dass im September der höchste Souverän über das Vorhaben abstimmen wird. Die Meinungen gehen weit auseinander. Auch die Interpretationen darüber, was sicher ist und was nicht.
So sieht es die IG Ammerswilerstrasse
Die Kosten seien zu hoch, gemäss Vorlage rund 7500 Franken pro Meter. Das geplante Projekt würde die Strasse vor allem für Velos gefährlicher machen. Es komme wohl zu mehr Durchgangsverkehr. Und zu viele Bäume würden gefällt oder geschädigt. Das sind die vier zentralen Punkte, mit denen die IG eine Ablehnung des Projektes begründet. Die Kosten sind wohl am einfachsten dargestellt: Kosten Gesamtprojekt: 5,5 Mio. Franken. Anteil Stadt: 1,98 Mio. Franken. Die Zahlen sind simpel. Doch hinter ihnen brodelt es zwischen Stadt und IG. Besonders die Sicherheit im Strassenverkehr sehen die Gegner in Gefahr, denn durch die Sanierung würde die Strasse einladend für Raser werden. Ebenfalls argumentierte man im Einwohnerrat damit, dass die Sicherheit für Fussgänger wegen der beiden Trottoirs gefährdet würde, da wegen der engen Strasse und den neuen Randsteinen die Velofahrer darauf ausweichen müssten. Man vermutet auch einen erhöhten Durchgangsverkehr, da die Strasse auch ausserorts verbreitert wird. Zwar wird innerorts nur an wenigen Punkten breiter gemacht, diese würden dann aber Lastwagen zum Kreuzen einladen. Heute liegt die Anzahl LKWs auf der Ammerswilerstrasse bei 2,2 Prozent gemessen am Gesamtverkehrsaufkommen. Ob das so bleiben würde, stellt die IG zu Recht infrage. Zu guter Letzt seien mehr Bäume in Gefahr, als die Vorlage beschreibt. Gemäss dieser müsste lediglich ein einziger Baum weichen.
Die IG rechnet mit mehr. Dies wegen der Begradigung der Strasse, welche das Wurzelwerk von weiteren Bäumen angreifen wird. Sie sehen einige Bäume bachseitig in Gefahr und noch weitere durch die notwendigen Enteignungen, was wohl die unschönste Facette der geplanten Sanierung ist. Kein Eigentümer will das für sich und das eigene Hemd liegt einem am nächsten. Und für viele, auch wenn nicht selbst betroffen, ist es eine politische Grundsatzfrage, wofür Enteignungen angemessen sind und wofür nicht. Mit rotem Absperrband an den Bäumen und dem Schriftzug «Lasst mich leben» startete die IG Ammerswilerstrasse ihren Abstimmungskampf. Ihnen geht es vor allem um zwei Dinge: dass die Strasse saniert werde und dies nicht nur dem motorisierten Verkehr diene. Der Entscheid betreffe gemäss IG ganz Lenzburg, da noch weitere «fragwürdige» Strassenprojekte in Planung seien.
«Eine Strasse für alle»
Das gegründete überparteiliche Komitee der Referendumsgegner fokussiert sich ebenfalls auf vier Punkte. Es grenzt an Ironie, dass diese fast deckungsgleich mit denen der IG sind. Sie werden aber von den Gegnern komplett anders interpretiert. Gemäss dem Komitee würde die Strasse sicherer werden. Eben wegen der Querungen, den Mittelinseln und des zusätzlichen Gehwegs auf der Ostseite. Sie sehen nicht, weshalb die Strasse mehr befahren werden würde. Und selbst wenn es zu Mehrverkehr käme, würde die sanierte Strasse die Verkehrsteilnehmer zu mehr Aufmerksamkeit zwingen. «Die Alleebäume, die Reduktion der Fahrbahnbreite, die Mittelinseln bei zwei der drei Querungen, das Weglassen des Mittelstreifens sowie eine farbliche Gestaltung der Strassenoberfläche fördern eine den Verhältnissen angepasste Fahrweise», heisst es in einer Medienmitteilung.
Auch die Bäume sieht das Komitee überhaupt nicht in Gefahr. Denn gemäss der Vorlage wird zwar ein Baum gefällt, ein neuer wird jedoch wieder gesetzt. Die Planung des Kantons verstärke sogar die Sicherheit der bestehenden Bäume. Zum Schutz der Linden soll der Strassenrand etwas von ihrem Wurzelraum weggeschoben und ein Spezialgranulat eingebaut werden. Zudem sei die Ammerswilerstrasse «eine Strasse für alle». «Die Vorlage berücksichtigt, dass insbesondere Mütter mit Kinderwagen, Schulkinder sowie Menschen mit Geh- und Bewegungshilfen sicher die Strasse queren und beidseitig die Bushaltestellen erreichen können, die behindertengerecht ausgebaut werden. Velofahrenden, die nicht die offizielle, über die Wylgasse führende Veloroute oder den Widmiweg nutzen, steht die Ammerswilerstrasse ebenfalls offen.»
Wer nun recht behalten soll, entscheidet der Souverän am 22. September. «Nein» im Sinne der IG. «Ja» im Sinne von Stadt und Einwohnerratsmehrheit.