Das grosse Flattern im Lenzburger Wald
Lenzburg Es gibt wieder mehr Schmetterlinge in der Region. Ein Beitrag hierzu ist das einseitige Mulchen der Waldwegränder im Lenzburger Forst seit Juli letzten Jahres. Eine Erfolgsgeschichte.
Es ist kurz nach neun Uhr. Die Sonne scheint, Wolkenschleier hängen am Himmel, es weht ein leichter Wind. Es summt, zirpt, flattert und tschilpt im Lenzburger Forst. Gemeinsam mit Stadtoberförster Matthias Ott und Feldornithologe Claude Müller vom Natur- und Vogelschutzverein Lenzburg geht es Richtung Bärenhübel, um Waldschmetterlinge zu entdecken.
Wenige Schritte reichen aus, um fündig zu werden. Hat man erst einmal den Blick dafür entwickelt, scheinen die Falter überall herumzuflattern. Am Wegrand lässt sich ein Waldbrettspiel sehen, gefolgt von etlichen Kaisermänteln, die mit ihren Rüsseln an den blassvioletten Blütenständen von Wasserdost saugen.
Es schwirren viele Bläulinge durch die Luft, und beim Steinbruch Lütisbuech entdecken wir ein weiteres Highlight: den Russischen Bär. Besonders markant sind seine beim Auffliegen knallroten, schwarz gefleckten Hinterflügel. «Der Russische Bär ist nicht alltäglich», freut sich Schmetterlingskenner Müller. Dieser tagaktive Nachtfalter könne aber mit etwas Glück auch in naturnahen Gärten beobachtet werden.
Zunahme der Schmetterlinge
Nebst der Wetterlage ist der derzeitige Reichtum an Schmetterlingen im Lenzburger Wald besonders der angepassten Waldwegrandpflege zu verdanken. Diese wurde vor einem Jahr mit einem revidierten Pflegeplan in Zusammenarbeit mit den Forstdiensten Lenzia und dem Natur- und Vogelschutzverein Lenzburg verabschiedet. «Wir stellen in der intakt gehaltenen Vegetation bereits einen deutlichen Anstieg von Menge und Vielfalt der Waldschmetterlinge fest», so Müller. Dabei gehe es nicht nur um Blumennektar für die Falter, sondern auch um die Fortpflanzung mit spezifischen Raupenpflanzen übers ganze Jahr.
Mit gutem Beispiel voran
Was auf den ersten Blick unaufgeräumt wirkt, hat Strategie: Durch möglichst spätes Mulchen von jährlich nur einer Wegseite wird der Lebensraum für Insekten und anderen Kleintieren am Waldwegrand deutlich aufgewertet. «Mit der veränderten Pflegestrategie konnten wir das Mulchen um über 50 Prozent reduzieren», informiert Stadtoberförster Matthias Ott. Mit ihrer neuen Vorgehensweise gehören die Forstdienste Lenzia zu den fortschrittlichsten im Kanton Aargau. «Ich bin überzeugt, dass unsere Strategie die richtige ist, wir werden sie definitiv weiterverfolgen», so Ott. Dass man in Lenzburg eine Vorreiterrolle eingenommen habe, meint der 36-jährige Förster weiter, liege vor allem an der guten Zusammenarbeit mit dem Natur- und Vogelschutzverein. Müller freut sich darüber und ergänzt: «Toll wäre, wenn die Stadtbehörden auch für ihre Grünflächen eine ausgeprägtere naturnahe Pflegestrategie mit partieller und gestaffelter Mahd vorgeben würden.»
Das können Gartenbesitzer tun
Wer den Schmetterlingen helfen will, kann auch im eigenen Garten oder auf dem Balkon eine Menge tun. Denn: Trotz des aktuellen Lichtblicks im Lenzburger Wald stehen die Schmetterlinge nach wie vor unter mächtigem Druck. Seit den 90er Jahren ist die Biomasse der Insekten in Mitteleuropa bis zu 75 Prozent zurückgegangen, eine ernst zu nehmende Gefahr, denn: Schmetterlinge sind wichtige Bioindikatoren.
Das bedeutet: Gibt es in einem Gebiet viele Schmetterlinge, fühlen sich dort auch viele andere Tiere und Pflanzen wohl. Umgekehrt weist das Verschwinden der Schmetterlinge darauf hin, dass auch andere Tier- und Pflanzenarten schlechte Zukunftsaussichten besitzen. Im Privatbereich nützt es laut Schmetterlingsexperte Müller deshalb schon viel, auf unterschiedliche einheimische Blumen und Sträucher zu setzen und Pestizide zu vermeiden.
Mut zur Wildnis
«Niemand muss auf seine Hortensien oder den geliebten englischen Rasen verzichten», schmunzelt Müller. Den Schmetterlingen helfe es aber schon viel, wenn Gartenbesitzer den einen oder anderen Gartenstreifen mit schmetterlingsfreundlichen Blüten wachsen und auch mal was stehen lassen.
Auch Brennnesseln spielen dabei, so der Feldornithologe weiter, eine wichtige Rolle, denn: Diese bieten die Nahrungsgrundlage der Raupen von rund 35 Schmetterlingsarten. Und aus Raupen werden ja bekanntlich auch wieder Schmetterlinge.