Hansruedi Widmer (1947–2022), ein engagierter Patron alter Schule
Meisterschwanden/Sarmenstorf Innerlich widerstrebt es mir, für einen lieben Bekannten, der so unvermittelt und viel zu früh aus dem Leben gerissen wurde, einen Nachruf zu schreiben. Doch seine Verdienste im wirtschaftlichen, politischen und sozialen Leben machen dies zur moralischen Pflicht. Hansruedi Widmer verwendete im amtlichen Verkehr immer seinen genauen Namen: Johann Rudolf Widmer.
Geboren am 11.11.1947, am Tag der Karnevalisten, verbrachte er seine Jugendjahre in Sarmenstorf. Nach der Schule und der Aus- und Weiterbildung ging es bald einmal in die Firma seines Vaters, der Wizol AG. Sein Vater Alphons verstand es, den Betrieb loszulassen, und Hansruedi Widmer konnte mit seiner Ausbildung und seiner Energie und seinen Ideen loslegen.
Eine offene, kritische Stimme
Mit Umsicht und einem ständig wachsenden Netzwerk passte er den Betrieb stetig den neuen Herausforderungen an. Später kam noch eine Firma im Kanton Zürich dazu, die Flury AG in Dietlikon, die mittlerweile Wizol Dietlikon heisst.
Nebst diesen Firmen führte er auch noch den Bauernhof im Feld, schon ein Lieblingskind seines Vaters.
Widmer war eine offene, kritische Stimme, manchmal waren seine Voten robust, aber immer klar zutreffend. Wer ihn kannte, konnte es so annehmen. Er war noch ein Wirtschaftsfreisinniger, der wusste, dass das Geld mit Arbeit und nicht mit Papier und Studien verdient wird.
Hansruedi Widmer hatte immer und für alles Zeit. Halt gab ihm da eine gefreute Familie. Diesen Erfolg gab er immer schmunzelnd an seine Vreni weiter, die «Schnusle».
Wohlwissend, dass das nur die halbe Wahrheit war. Aber es müssen die wirtschaftliche Unabhängigkeit und die Stärke der Familie gewesen sein, die ihm all die Freiräume bescherten. Ich bewunderte immer sein Zeitmanagement: Da wurde nie etwas vergessen.
Vizeammann in Sarmenstorf
Politisch diente er der Gemeinde Sarmenstorf ab 1986 zwei Amtsperioden im Gemeinderat, davon ab 1987 als Vizeammann. Ich durfte dann dieses Amt von ihm übernehmen. Zusammen waren wir nie im Gemeinderat. Seine Zeit im Gemeinderat war eine Zeit der grossen Investitionen für unsere Gemeinde.
Investieren, Gürtel enger schnallen, dann eine Zeitlang höhere Steuern und dann war es überstanden. Eigentlich das gleiche Schema, das früher auch die privaten Häuslebauer anwenden mussten. Die Leute vertrauten dem Vorgehen des Finanzministers Widmer und stimmten zu. Heute steht die Gemeinde finanziell fast ohne Schulden da.
Sein Rat und Tat, aber auch seine klare Kritik waren überall gefragt. Im Weiteren engagierte er sich in Wirtschaftsverbänden und Branchenorganisationen bis zu hohen Stufen. Als höchste wirtschaftliche Weihe darf wohl die Wahl in den Verwaltungsrat der damaligen Neuen Aargauer Bank erwähnt werden.
Sein umfassendes Engagement für Familie, Firma, Gemeinde und Vereine war für ihn wohl innere Verpflichtung – immer unterstützt von seiner Frau.
Glückliche Hand beim Personal
Als 1995 die Leitung des Regionalen Alters- und Pflegeheims Eichireben im Argen war, sagte er zu, das Präsidium des Vorstandes und die Neuorganisation zu übernehmen. Als Präsident amtete er dann rund zwei Jahrzehnte. Schon während seiner Gemeinderatszeit vertrat er die Gemeinde acht Jahre im Vorstand. Insgesamt also fast 30 Jahre Engagement für das «Eichireben».
Ich bewunderte immer seine glückliche Hand bei Personalentscheiden in den Firmen und auch während unserer gemeinsamen Vorstandstätigkeit im Alters- und Pflegeheim. In der gleichen Zeit zog er die Fäden, dass Sarmenstorf wieder einen Dorfarzt erhielt.
Als in Sarmenstorf drohte, dass günstiger Wohnraum verloren gehen könnte, gründete er kurzerhand eine Genossenschaft nach Wohneigentumsförderungsgesetz, die er bis zu seinem Tode mit viel zeitlichem Aufwand führte.
Die Jagd war geerbte Passion von seinem Vater. In einem Elternhaus aufgewachsen, wo auch noch eine Hundezucht vorhanden und selbst ein Fuchs im Gehege Mitbewohner war, heute alles undenkbar. Während Jahrzehnten bis jetzt präsidierte er die Jagdgesellschaft Sarmenstorf. Mit der gleichen Leidenschaft und Akribie, wie er alle seine Aufgaben und Ämtchen erledigte.
Auch im Vereinsleben war er aktiv. Zufällig am 11.11. geboren, war er bald nach der Gründung Heuröpfelzunft-Mitglied und bildete mit einigen Altersgenossen eine dynamische fasnächtliche Jugendgruppe, die nebst den erhabenen Gründern das Fasnachtsleben von Sarmenstorf bis Zürich aufwirbelte.
Als bei der Musikgesellschaft, bereits in personellen Nöten, der Bedarf für eine Fahne vorhanden war, übernahm er das Amt des Fahnengötti und suchte gleich noch die Fahnengotte dazu. Dorfleben war ihm eben wichtig.
In seinem Landwirtschaftsbetrieb gehörte das Pferd dazu. Jahrelang war seine nunmehr verstummte Stimme auf den Concoursplätzen den Zuschauern als Speaker vertraut. Das Treffen am Sonntagmorgen mit seinen Reiterkollegen war fast so fix, wie es der Sonntag im Kalender ist.
Erholung fand Widmer auch auf Kulturreisen mit Freunden, die ihn in die schönsten Opernhäuser Europas führten.
Durch eine Zwangsversteigerung konnte er seinen Bauernhof bis nach Meisterschwanden erweitern. In der Steigerungsmasse war auch noch ein Stöckli mit Seesicht inbegriffen. So räumten Hansruedi und seine Frau Vreni ihr grosses Haus in Sarmenstorf zu Gunsten einer Tochter und zogen in die Landwirtschaft ins Seetal. Auch seine Pferde fanden da eine neue Unterkunft. Im Seetal erweiterte er seine bereits vorhandenen Beziehungen zu dieser Gegend und engagierte sich auch dort in verschiedenen Organisationen. Sein Herz blieb aber immer auch in Sarmenstorf.
Widmer war noch ein Patron der alten Schule, ein Mann mit Rat und Tat. Die Sorgen seiner Mitarbeiter waren seine Sorgen und er half, sie zu lösen. Viele Privatpersonen und Handwerker im Dorf holten bei ihm Rat und Hilfe, um schwierige Situationen zu meistern.
Manchmal engagierte er sich auch uneigennützig finanziell im Stillen. Immer mit dem Ziel, Bedrängten zu helfen.
Am 31. Mai publizierte die Gemeinde Sarmenstorf eine Todesanzeige für seine 98-jährige verstorbene Tante. Diese Tante hatte Widmer in jungen Jahren umsorgt und er sie in alten Tagen. Am Tag der Publikation ist er ihr in die Ewigkeit nachgefolgt. Das Leben schreibt schauerliche Geschichten.
Ohne Adieu zu sagen, wurde er nach einem Ausritt von einem medizinischen Problem ereilt, das selten gut endet, hinterlassend eine bestürzte und tieftrauernde Familie und in gleichem Masse betroffene Freunde und Bekannte.
Danke für alles, Johann Rudolf Widmer.