Brauchtum gestern und heute
Silvesterglöggle Wenn am Jahresende das Glockenspiel durch die Strassen von Seengen zieht, ist eines klar: Der Brauch lebt – auch wenn sich im Laufe der Jahre einiges verändert hat. Ein Blick auf früher und heute zeigt, wie die Tradition den Wandel der Zeit überstand, ohne ihren Kern zu verlieren.
Mitmachen passiert spontan: Kinder und Jugendliche pilgern in der Silvesternacht ohne Anmeldung zum Treffpunkt Restaurant Testarossa. Von halb bis Viertel vor zwölf stimmt die Kirchenglocke den Takt an. Um Viertel vor zwölf setzt sich der Umzug durchs Dorf in Bewegung – bis zum Holliger-Sämi-Platz. Dann, um Mitternacht, läuten die Kirchenglocken das neue Jahr ein, anschliessend zieht der Glögglerzug durch die Restaurants. Früher führte der Weg an deutlich mehr Beizen vorbei, etwa am Rebstock. Heute sind es weniger Stationen, doch geblieben ist die Tradition des Verteilens von Batzen. Erst gegen zwei Uhr morgens endet das Glöggle – nach dem Pizzaessen im Testarossa.
Von alter Gemeinschaft und neuer Beteiligung
Früher kamen die Menschen noch aus ihren Häusern, um den Kindern Batzen zu überreichen. Heute ziehen nun viele Mädchen im Zug mit – ein sichtbarer Wandel der Zeit. Zudem durften früher die meisten Kinder erst ab der Oberstufe mit. Heute sind viele bereits im Grundschulalter dabei, teilweise sogar Zweitklässler. Organisiert wurde das Ganze zunächst privat von der Dorfgemeinschaft. Später entstand ein offizieller Glögglerclub, der auch einen Silvesterball in der Mehrzweckhalle organisierte und auf dessen Bühne das neue Jahr eingeläutet wurde. Nach der Auflösung des Vereins übernahm der Feuerwehrverein als Organisator. Bis heute wird der Anlass von den Freiwilligen getragen.
Tradition, die verbindet undzusammenhält
Auch bei den Glocken hat sich im Laufe der Jahre etwas geändert: Früher brachten die Kinder ihre eigenen Kuhglocken mit, oft aus Bauernfamilien. Heute gibt es weniger private Glocken, weshalb der Feuerwehrverein ein eigenes Lager aufgebaut hat. Natürlich wird auch Gehörschutz verteilt – früher gab es das nicht. «Wir haben einfach glögglet, und das Spektakel hat in den Ohren bis zum Bärzelitag nachgehallt», erinnert sich Adrian Müller, der als Kind selbst glögglete und später die Organisation übernahm. Als er vor rund 40 Jahren mitlief, zählte Seengen rund 1500 Einwohnende und fast 20 Kinder zogen gemeinsam durch die Strassen. Heutzutage variiert die Gruppengrösse – mal waren es 45 Kinder, mal nur 25. Müller organisierte den Anlass fast zehn Jahre lang, bevor er die Verantwortung an einen Feuerwehrkollegen übergab. Dieses Jahr übernimmt Martin Bischof erstmals das Amt des Organisators. Die Gemeinde Seengen unterstützt den Anlass als Sponsor und arrangiert beim Holliger-Sämi-Platz Getränke zum gemeinsamen Anstossen – ein Rahmen, der seit Jahrzehnten besteht.
Woher das Brauchtum stammt, bleibt bis heute ein Mysterium. «Wichtig ist, dass es weitergeht», sagt Müller. Und genau das tut es – angepasst an die Zeit, aber seit geschätzten hundert Jahren beständig. Denn eines hat sich nicht verändert: Die Bedeutung vom Glöggle für das Dorf.


