Abschied nach zwölf Jahren
Seengen Im Rückblick auf seine Amtszeit als Gemeindeammann zieht Jörg Bruder eine reflektierte Bilanz: «Die Funktion hat mich persönlich stark geprägt.»
Im Frühjahr 2024 stellte sich Jörg Bruder der Frage: «Was will ich noch mehr erreichen?» Seengen sei gut aufgestellt. Für ihn der richtige Zeitpunkt, sich bewusst zurückzuziehen. Mit 44 Jahren ins Amt gewählt, habe er es stets geschätzt, ein Gremium zu führen. Gleichzeitig war ihm klar: «Ich will kein Sesselkleber sein und mich nicht von der Politik abhängig machen.»
Mit seiner Funktion als Kadermitglied und als Partner in der Privatwirtschaft sei er gefordert gewesen, mit seinen zeitlichen und persönlichen Ressourcen langfristig umzugehen. «Ich musste lernen, zu erkennen, wann die Batterien leer werden. Dort, wo es um das Gemeindewohl ging, konnte man mit mir rechnen – an «Cüplipartys» sah man mich selten», so Bruder. Er habe versucht, die Schnelligkeit aus dem Berufsalltag herauszunehmen. Diese Haltung habe ihm nicht nur selbst Ruhe gebracht, sondern auch im Umgang mit Bevölkerung und Gemeinderat für Gelassenheit gesorgt.
Erfolg, der bleibt
Besonders grosse Freude bereitete Bruder die Diskussionskultur bei den Gemeindeversammlungen. Die Debatten erlebte er stets als sachlich und respektvoll, ohne gehässigen Tonfall. Auf die Frage nach Projekten, auf die er besonders stolz sei, verweist Bruder auf die Gesamtsumme aller Vorhaben. Er hebt jedoch die Sanierung der Kantonsstrassen, Poststrasse und Schulstrasse hervor, die harmonisch ins Ortsbild passen und bei deren Vorstellung die kantonalen Vertreter diskussionslos zustimmten – was es so noch nicht gab. Extrem stolz mache ihn, dass Seengen wiederholt als «schönste» und «beliebteste» Gemeinde im Aargau ausgezeichnet wurde, ein Ergebnis langjähriger Strategiearbeit.
Es braucht einen breiten Rücken
Im Umgang mit Kritik zeigt sich der Gemeindeammann gefestigt, kritische Stimmen seien ihm aus seinem Berufsalltag vertraut. Nicht akzeptieren könne er personifizierte Kritik. Denn obwohl er konsequent die Meinung des gesamten Gemeinderates vertrat, richtete sich Kritik auch gegen seine Person. Enttäuschend war für ihn, dass gerade Menschen mit Fachwissen und Mitteilungsdrang dann geschwiegen hatten, wenn der direkte Austausch im Gremium möglich gewesen wäre. «Die Faust im Sack zu machen, nützt niemandem», sagt er.
Mit Blick auf die Zukunft betont er die Notwendigkeit, neue Einwohnende schnell in die Gemeinschaft einzubinden. Zudem soll die Infrastruktur fortlaufend ausgebaut werden, denn: «Seengen ist noch nicht fertig gebaut.» Die Gemeinde könne problemlos auf 5500 Personen wachsen – und dies ohne verdichtetes Bauen. Die langfristige Gemeindeplanung wurde kontinuierlich überprüft und angepasst, sodass der neue Gemeinderat die eingeschlagene Strategie nahtlos weiterführen kann. Auch den Wechsel des Gemeindeschreibers in diesem Jahr hat Bruder sorgfältig geplant. Dank seiner Begleitung der Nachfolgerin Solveig Merkofer in den letzten sechs Monaten und ihrer vierjährigen Erfahrung als Stellvertreterin, ist die Verwaltung bestens für die Zukunft gerüstet. Von der Bevölkerung wünscht sich Bruder insgesamt mehr Engagement und Mitwirkung in politischen Auseinandersetzungen. Das in Seengen geschaffene Informationsgefäss «Gmeindrot bi de Lüt» habe schwankende Resonanz gefunden. «Wer nicht mitmachen will, will eben nicht – doch es ist bedauerlich.»
«Es gibt Leute, die denken, dass ich jetzt in ein Loch fallen würde», sagt Bruder schmunzelnd. Tatsächlich habe er Pläne für die Zeit danach: Die neu gewonnene Freiheit geniessen. Angebote für die Zukunft habe er bereits erhalten. «Das Mandat als Gemeindeammann war für mich bereichernd – ich möchte keine einzige Stunde meiner Amtszeit missen. Die Aufgabe hat mir bis zum Schluss Freude bereitet.» Wenn er durchs Dorf gehe und namentlich gegrüsst werde, mache ihn das stolz. Lokalpolitik konsequent mitzugestalten, sei erfüllend. «Ich sehe jeden Tag, was ich bewirkt habe.»


