Tipp zum Alltag: Positive ­Abhängigkeiten

Selbstfürsorge. Illustration: mky

Selbstfürsorge. Illustration: mky

Jörg Kyburz

Jörg Kyburz

Das Wort «Sucht» ist bei uns oft negativ belastet. Doch können kleine Abhängigkeiten nicht auch schöne Seiten haben?

Nikotinsucht schädigt die Lunge, übermässiger Alkoholkonsum die Leber, Sexsucht ist eine Belastung für die Beziehung, Medikamentensucht ist schlecht für den Kopf und zu viel Fernsehkonsum für die Augen. Sucht führt zur Gefährdung und ist schlecht für jede Entwicklung. Doch hat diese weit verbreitete Meinung allgemeine Gültigkeit, oder zeigen kleine Abhängigkeiten gar positive Auswirkungen?

Unser Ritual ist es, das Wochenende am Freitagabend mit einem Glas Rotwein, oft zusammen mit einem einfachen gemeinsamen Nachtessen in der Stadt, zu begrüssen. Eine Gewohnheit, auf welche wir uns stets freuen und bei welcher wir uns bewusst Zeit schenken.

Jeder Mensch hat zudem angeborene Abhängigkeiten. Als Baby und Kind von Wärme, Zärtlichkeit und Zuwendung. Solcherlei ist Balsam für die Seele und unterstützt eine positive Entwicklung. Zu wenig davon führt nicht selten zu Mangelerscheinungen, welche im Erwachsenendasein kaum mehr zu kompensieren sind. Unbewusst trägt der Erwachsene so entstandene Mangelerscheinungen lange mit.

Persönliche Bedürfnisse wohlwollend zu beachten und zu pflegen, ist daher lohnend. Gerade im Bereich der Liebe führt das Eingestehen von positiver Abhängigkeit wie Schwächen, Ängsten oder das Gefühl des Ausgeliefertseins zu innerem Wachstum.

Von anderen abhängig zu sein, erzeugt viel zu oft ein negatives Bild und verbaut so den Weg zu mehr Tiefe. Dies mit Selbstaufgabe zu verwechseln, wäre fatal. Im Gegenteil, Vertrauen, Zuwendung und Hingabe lassen Beziehungen wachsen und stärken die Selbstfindung. Bei der Liebe verhält es sich somit ähnlich wie bei anderen kleinen Abhängigkeiten, beispielsweise dem Kaffee um 9, dem Lieblingsparfüm oder der Meditation am Morgen. Bewusst genossen und wahrgenommen bereichern sie unseren Alltag auf angenehmste Weise.

Tipp: Sag deinen Lieben oft, dass du sie magst, und scheue dich nicht davor, bei Bedarf auch deine Streicheleinheiten abzuholen.

«Tipp zum Alltag». Hier schreiben Jörg Kyburz und Volker Schulte jeweils in der letzten Ausgabe des Monats über psychologische Aspekte im Alltag. Die beiden Autoren leiten den CAS-Studienlehrgang Achtsamkeit in Lenzburg.

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