Schloss Wildegg – keine Krippe wie jede andere

Möriken-Wildegg Vom 3. bis 8. Dezember kann man eine einzigartige provenzalische Krippe mit bunt bemalten Tonfiguren, den Santons, auf Schloss Wildegg bestaunen. Aufgebaut vom Kunsthistoriker Rudolf Velhagen und seinem Helferteam.

Darf mit in die Krippe, obwohl es mit ihm, dem Elefanten, keine besondere Bewandtnis hat: Die provenzalische Krippe von Rudolf Velhagen kann auf Schloss Wildegg bestaunt werden. Foto: Fabio Baranzini
Darf mit in die Krippe, obwohl es mit ihm, dem Elefanten, keine besondere Bewandtnis hat: Die provenzalische Krippe von Rudolf Velhagen kann auf Schloss Wildegg bestaunt werden. Foto: Fabio Baranzini

In eine Krippe gehören Maria, Josef und das Jesuskind. Dies ist auch bei Krippen aus der Provence so. Doch dort dürfen keinesfalls die Dorfbewohner und die dazugehörenden Accessoires fehlen. Wer also denkt, eine Krippe ist eine Krippe, der irrt. In Frankreich werden Krippen von Generation zu Generation weitergegeben und deren richtiger Aufbau ist so wichtig wie das Salz in der Fischsuppe von Marseille.

«Für mich sind diese von Hand bunt bemalten Tonfiguren ein provenzalisches Spiegelbild der Gesellschaft. Junge, Alte, Taube, Blinde, Randständige und Tiere bekommen ihren Platz – alle sind willkommen», sagt Rudolf Velhagen. Wie die einzelnen Figuren positioniert werden müssen, ist ein ungeschriebenes Gesetz. Wer sich nicht daran hält, mangels besseren Wissens, der outet sich als Nichteingeweihter, als Dilettant.

Dass Maria, Josef und das Jesuskind im Stall unterzubringen sind, dürfte jedem vertraut sein. Aber wo platziert man den Schriftsteller, die verlorene Ziege oder aber Mireille, aus gutem Hause stammend, die sich in den armen Korbflechter Vincent verliebt hat? Wer die Persönlichkeit der Krippenfiguren nicht kennt, der ist hoffnungslos überfordert. «Ein Franzose sieht sofort, obs passt oder nicht», sagt Velhagen schmunzelnd. Doch er, der fünf Jahre in Paris gelebt hat, kann es mit den Franzosen locker aufnehmen.

Politische Gesinnung wird sichtbar

«Es ist wichtig zu wissen, dass der Laternenträger taub ist und den Posaunenengel mit der frohen Botschaft gar nicht hören kann. Er darf deshalb nicht unter die Krippenbesucher gestellt werden. Auch die unglückliche Liebe zwischen der bürgerlichen Tochter Mireille und dem einfachen Korbflechter Vincent wird durch die Position der Figuren thematisiert.

Schliesslich muss in Anspielung an die von Alphonse Daudet verfasste Geschichte ‹Die Ziege von Monsieur Seguin› eine weisse Ziege isoliert von der Herde stehen», betont der 57-Jährige. Die Positionierung der Figuren bezieht sich oft auf aktuelle politische oder gesellschaftliche Verhältnisse und lässt Rückschlüsse auf die Gesinnung des Krippenbesitzers zu. Zudem werden die Hirten, der Engel und die drei Könige über die Adventszeit hinweg immer wieder umgestellt, um sie so langsam dem Geburtsort des Christkinds näher zu bringen.

Wenn Velhagen von den provenzalischen Krippenfiguren spricht, leuchten seine Augen. Kein Wunder, ist er doch seit 20 Jahren leidenschaftlicher Sammler und darf heute rund 150 Figuren sein Eigen nennen. Zu sehen sind sie allesamt in der grossen Krippe auf Schloss Wildegg und dürften dort zweifellos viele andere Augen zum Leuchten bringen.

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