Zugewandt

Da ist dieser Roman über unseren Umgang mit Krankheit. Wie diese in der Sprache als Feind gezeichnet wird, den es zu bekämpfen gilt. Wie eine chronische Krankheit ein Warten auf ein Danach bedeuten kann. Oder wie es zu einer Option werden kann, das Leben im Jetzt mit der Krankheit zu gestalten. Wie Krankheiten Dynamiken in Freundschaften prägen und neu definieren können. Wie eine körperliche Einschränkung im Blick von Aussenstehenden zum Charakter der Person wird. Wie Menschen aufgrund einer ökonomisch festgelegten Leistungsfähigkeit bewertet werden.

Da sind die beiden Medienbeiträge mit Betroffenen von Long Covid. Wie es ist, eine Krankheit zu haben, die noch unbekannt ist. Wie das Umfeld damit umgeht, wenn die Einschränkungen neu und nicht sichtbar sind.

Da ist der persönliche Austausch mit Angehörigen von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Wo Betroffene anstehen, wenn das Gesundheits- und das Sozialsystem an ihren Grenzen sind. Wie Verständnis noch nicht überall vorhanden ist und wie das zu einer zusätzlichen Belastung wird.

Da ist dieser Poetry-Slam-Text, der die Perspektive einer Demenzbetroffenen einnimmt. Wie die eindringlichen Worte berühren und eben dieses Verständnis fördern. Da ist dieser zweite Text, der die Situation in der Pflege beschreibt. Der zeigt, wie für die Menschlichkeit, die so wichtig wäre, meist keine Zeit bleibt.

Und dann fügt sich Verschiedenes zu einem Bild zusammen. Dann passiert, was der Austausch mit Menschen mit anderen Lebensrealitäten auslösen kann. Etwas verschiebt sich. Die Wahrnehmung, das Bewusstsein werden um neue Aspekte erweitert. Der Blick und die Haltung gegenüber der Welt und der Mitmenschen verändern sich. Dann zeigt sich, wie Gespräche, Literatur, Kunst einladen, sich zu hinterfragen und sich weiterzuentwickeln. Wie sie Inspiration sind, aufmerksamer und zugewandter zu sein.

Kathrin Steinmann, Buchhandlung Otz

Kathrin Steinmann

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