Schön schräg

Christine von Arx

In der Villa Sonnenberg gibt es viele Unregelmässigkeiten zu entdecken: schiefe Treppen, abschüssige Böden und schräge Wände. Selbst nach der kürzlich abgeschlossenen Renovierung des 250 Jahre alten Gemäuers sind diese Asymmetrien noch vorhanden. Manche Besuchenden fühlen sich sogar ein wenig schwankend, als ob sie auf dem Sonnenberg im Boot sitzen würden. Besonders die Bauarbeiter mühten sich mit all dem Schiefen und Schrägen ab. Sie hatten es mit einem Gebäude zu tun, das sich hartnäckig gegen die herkömmlichen Werkzeuge wie Wasserwaage und Lot sträubte.

Oft war es unmöglich, die üblichen Standards und Normen anzuwenden. Um Stress und Frust zu vermeiden, war es notwendig, die Vorstellung von Schönheit und Ausgewogenheit zu überdenken und die Asymmetrie als neuen Massstab einzusetzen. Anstatt die Ungleichheiten zu kaschieren oder zu beseitigen, wurden sie bewusst herausgearbeitet. Hierbei war die Kunst eine Inspirationsquelle, wo Asymmetrie oft dazu dient, Spannung und Dynamik zu erzeugen und nach Originalität zu streben. Auch die Astronomie bot Anregungen: Das Universum ist durch spontane Brüche der Symmetrie entstanden, als es nach dem Urknall abkühlte. Diese Abweichungen von der Symmetrie haben zu einer Vielfalt und Komplexität geführt, die das Universum so einzigartig machen. Bedeutet dies also, dass Leben erst durch Abweichung möglich wird?

Diese Gedankenspiele brachten auf der Baustelle Sonnenberg eine gewisse Gelassenheit und befreiten von den traditionellen ästhetischen Vorstellungen in der Architektur. Denn wie ganz viele historisch gewachsene Baukörper eindrucksvoll zeigen: Ein bisschen Schrägheit ist oft genau das, was dem Stadtbild den richtigen Schwung verleiht und es vor langweiliger Gleichförmigkeit bewahrt.

Christine von Arx, Historikerin

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