Salzkorn: Werner weiss Rat

Deborah Bläuer
Deborah Bläuer

Haben Sie einen Werner? Vielleicht heisst er bei Ihnen auch anders. Bei mir ist es jedenfalls Werner. Als ich vor einiger Zeit mein Navigationsgerät im Auto montierte, konnte ich zwischen Lisa, Anna und Werner wählen. Der Grossvater meiner Kindergartenfreundin hiess ebenfalls Werner, also fiel die Entscheidung leicht. Seither fahre ich mit Werner durchs ganze Land. Souverän, geduldig und mit leicht roboterhaft klingender Stimme lotst er mich auf dem kürzesten Weg von A nach B und nennt mir sogar die genaue Ankunftszeit. Und wenn ich mich doch einmal verfahren habe, in der Regel, weil ich nicht auf Werner gehört habe, erklärt er mir, wie ich auf den richtigen Weg zurückfinde.

Manchmal stelle ich mir vor, es gäbe auch einen Werner fürs Leben. Jemand, der einem genau erklärt, was man machen muss, um seine Ziele zu erreichen. Und wenn man dabei ist, sich hoffnungslos in etwas zu verrennen, bräuchte Werner nur «Wenn möglich, bitte wenden» zu sagen, und man wüsste Bescheid. Aber das sind Träumereien, solch ein Werner existiert nicht und so schlagen wir uns irgendwie durch. Manchmal mit Erfolg und manchmal verfahren wir uns oder landen in einer Sackgasse. Hinterher sind wir immer klüger, aber was nützt das dann noch?

Gelegentlich bin ich mutig und schalte Werner nicht ein. Es kommt meistens, wie es kommen muss, und ich verfahre mich heillos, lande in Ortschaften, von denen ich noch nie gehört habe, und weiss häufig nicht einmal mehr, in welchem Kanton ich mich befinde. Aber das muss nicht automatisch schlecht sein. Denn so habe ich malerische Landschaften und interessante Städte kennen gelernt. Es kann eben auch ganz bereichernd sein, auf Abwege zu geraten. Ja, wenn wir einen Werner fürs Leben hätten, würden wir schneller, entspannter und mit weniger Aufwand ans Ziel kommen. Doch dann würden uns spannende Begegnungen, wertvolle Erfahrungen und einiges an Abenteuer entgehen.

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