Kein Sternchen mehr

In der Schule, im Studium, im Beruf – sämtliche Aufgaben wurden von mir immer effizient, korrekt und zur Zufriedenheit aller erledigt. Immer mit Sternchen, immer mit einer extra Schmuckzeile, die niemand verlangt hat, aber immer brav mitgeliefert wurde. Schliesslich sind die meisten Frauen meiner Generation in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass sie, wenn sie es nur wollen und sich genug anstrengen, alles erreichen können.

Dann sind wir Mütter geworden, und das Versprechen, alles zu erreichen, ist obsolet geworden. Weil Einkommensunterschiede, Teilzeitarbeit und Unvereinbarkeit von Familie und Beruf alle gleichermassen treffen. Und weil wir Verantwortung übernommen haben. Für unsere Kinder, für unsere Partner, für uns selbst. Darum stehen wir Frauen Mitte 30 irgendwo zwischen Wackelzähnen, beruflichem Erfolg, Trotzphasen und Freundschaften. Ich aus­flügle, trage Kinder auf Berge und ziehe sie auf dem Fahrrad durch die Strassen. Ich putze und brutzle, verbringe meine Wochenenden auf Spielplätzen, schaue Tiere an und besichtige Kindermuseen. Meine Mädchenträume sind längst verblasst. Die Sternchen auch. Dafür haben sich neue Wege aufgetan. Wege, die schöner, besser und grossartiger sind als je zuvor. Weil ich sie nicht mehr allein gehe, sondern mit meiner Familie.

Der immer funktionierende und niemals müde Übermensch, der alles mit Links schafft, ist ohnehin ein Fabelwesen. Ein wunderschönes, utopisches Narrativ. Am Ende des Tages schafft man die Dinge nämlich niemals hundertprozentig und auch nie, ohne Kompromisse einzugehen. Irgendwas kommt immer zu kurz. Mal temporär, mal längerfristig. Die Wahrheit ist nämlich: Man kann nicht alles haben. Nicht alles auf einmal. Aber ich bin trotzdem: genug. Auch ohne Sternchen.

Romi Schmid

Redaktorin

Romi Schmid

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