Heimat
Was für ein vieldeutiges und wandelbares Wort! Manchmal ist es die Landschaft oder der Ort, wo alte Gebäude und Strassen Geschichten aus unserer Kindheit erzählen. Es ist der Platz, wo Familie und Freunde sind, wo gemeinsame Werte und Traditionen gelebt werden. Heimat weckt Glücksgefühle von Geborgenheit, Vertrauen und Zugehörigkeit. Aber halt, «Heimat» hat auch ihre Tücken. Immer öfter wird heftig darüber gestritten, was sie eigentlich bedeutet, oft entlang scharfer ideologischer Linien. Und für viele Menschen weltweit ist Heimat eine Verlusterfahrung. Doch in der Fremde kann sie überraschend neu entstehen.
Ein Schlüssel zur Heimaterfahrung liegt in der Sprache. «Heimat ist dort, wo ich verstehe und verstanden werde», sagte Karl Jaspers. Na gut, in der mehrsprachigen Schweiz wirft dieser Satz mehr Fragen auf, als er beantwortet. Zum Glück gibt es die Musik! Sie gilt schliesslich als universelle Sprache und kann somit überall auf der Welt Heimat schaffen.
Wie klingt denn Heimat? Ich selbst bin auf einem ziemlich haarigen Klangteppich von Dixieland und Mozart aufgewachsen. Mit Musik, die sich die Heimat zum Gegenstand macht, bin ich in meinen Jahren in der Urschweiz in Kontakt gekommen – live und in voller Ausprägung. Heute boomt die Heimatmusik. Sie ist in den Charts angekommen und füllt Stadien. Wie konnte das passieren? Nun, die Alpensehnsucht der Städter und die Selbstvermarktung der Älpler sind eben ein starkes Duo.
Ab und an ist mir die Heimatmusik suspekt. Wenn sie immer noch wie anno dazumal klingt, vereinnahmt wird und Rechtsdrall hat. Dabei gehört sie niemandem, und dafür allen. Sie ist ein immaterielles Kulturgut, das nur überlebt, wenn es ständig neue Töne findet.
Also, spitzen wir die Ohren, wenn die Musikalischen Begegnungen in Lenzburg zur 41. Ausgabe unter dem Titel «Heimat» aufspielen. Vielleicht entdecken wir ein ganz neues Stück Heimat.
Christine von Arx, Historikerin