Es lebe der Dilettantismus

Tinu Niederhauser

Sommerzeit, Ferienzeit: endlich das machen, was man erfolgreich ein halbes Jahr lang vor sich hingeschoben hat. Jetzt nur keine Ausreden mehr. Das Zitat von Joseph Beuys «Jeder Mensch ist ein Künstler» kann getrost abgewandelt werden in «Jeder Mensch ist ein Handwerker». Diese Aussage trifft zwar definitiv nicht auf mich zu und trotzdem habe ich im letzten Sommer drei Wochen auf dem Bau verbracht. Auf meiner Lieblingsbaustelle, sozusagen.

Unser Ferienhäuschen, ein uralter Spycher im Schwarzenburgerland, benötigte eine sanfte Renovation und einige Anpassungen an das moderne Leben der heutigen Zeit. Das Dach musste neu isoliert, ein Raum vergrössert, der Kamin verputzt und gestrichen sowie die Dusche geplättelt werden. Alles Dinge, die ich noch nie in meinem Leben selbst gemacht habe.

Zum Glück gab es Fachleute, die mit Rat und Tat zur Stelle waren, aber auch YouTube-Filmchen mit präzisen Anleitungen zum Betonieren, Fugen und Gipsen halfen ungemein. Einfach mal probieren – dreimal abgesägt ist immer noch zu kurz. Viermal auf den Finger gehauen – wird mit einem schiefen Grinsen weggelächelt. Nur nicht aufgeben, dranbleiben, ab und zu ein Bier trinken und weiter geht’s.

Am Abend, mit schmerzendem Rücken, Blessuren an den Händen und Schweiss auf der Stirn, ist das Resultat sichtbar und greifbar. Der Raum strahlt in neuem Weiss, das Dach ist dicht und die Schafwolle isoliert wunderbar gegen Kälte und Hitze. Der Fachmann oder die Fachfrau hätte dies alles schneller und perfekter hingekriegt, der Dilettant in mir hingegen freut sich am Unperfekten.

Nur Mut, liebe Bürogummis und Sesselroller. Da eilt ihr von Sitzungen zu Sitzungen und fragt euch ernsthaft, ob dieser Arbeitstag produktiv war und damit Sinn gemacht hat. Nach einem Tag auf eurer persönlichen Lieblingsbaustelle ist dies keine ernsthafte Frage mehr.

Tinu Niederhauser

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