Eine Dorfgeschichte, die unter die Haut geht
Staufen Ein Roman, ein Autor? Mitnichten. «Kruttingen. E Dorfgschicht» ist ein Kollektivroman von vier Autorinnen, die aus allen Teilen der Schweiz, unter anderem auch aus Staufen, stammen.
Was passiert, wenn wir den Prozess des literarischen Schreibens neu gestalten?, haben sich vier Autorinnen – Marianne Erne, Patricia Jäggi, Kathrin Probst und Katharina Wehrli – vor rund sechs Jahren gefragt. Aus diesem kollektiven Prozess ist der Dorfroman «Kruttingen» entstanden. Er ist in Standardsprache und Mundart geschrieben und im Oktober 2023 im Arisverlag erschienen.
Die Autorinnen lernten sich 2015 am Lehrgang «Literarisches Schreiben» an der EB Zürich (heute Volkshochschule Zürich) kennen. Die Autorinnen stammen aus Zürich, Bern und – im Fall von Marianne Erne – aus Staufen. Die 64-Jährige schreibt Geschichten und Gedichte und war viele Jahre beim Schweizer Fernsehen als TV-Redaktorin und Produzentin tätig.
Rückkehr nach 20 Jahren
Der Roman handelt von Georg, der nur wenige Tage nach dem Tod seiner Mutter nach 20 Jahren in sein Heimatdorf Kruttingen – ein fiktives Dorf im Zürcher Unterland – zurückkehrt. Sein plötzliches Auftauchen versetzt das Dorf in Aufruhr und bringt es ins Wanken. Für die Dorfbewohner bedeutet Georgs überraschende Rückkehr die Konfrontation mit einer Realität, die wie ein Katalysator für Konflikte und Veränderungen wirkt. Themen wie Unzufriedenheit, innere Leere, Schuld, Verlust und Betrug bedrängen die Lebenswelten der Protagonisten und rufen in ihnen erst Verzweiflung, später auch Sehnsucht nach Neuanfang oder Versöhnung hervor.
Auftritt im Café Littéraire
«Am Ende des Lebens wird bei uns im Dorf mit Kränzen abgerechnet und Elsbeth hat viele bekommen. Sie war beliebt.» Es sind solche Sätze, die unter die Haut gehen. Die Charaktere, die die vier Autorinnen erschaffen haben, sind unbeschreiblich gut gelungen. Jedes Wort wirkt real, jede Tat glaubhaft. «Kruttingen. E Dorfgschicht» zeigt: Die Vergangenheit lässt sich nicht klären oder beherrschen. Man lernt aber auch, sich damit zufriedenzugeben. Mit Empfindungen mehr als mit Tatsachen, mit Umrissen, seelischen Regungen und dergleichen, hervorgerufen von erinnerten Szenen, Bildern, Situationen. Eine Dorfgeschichte, die im Gedächtnis bleibt und von der man gern noch mehr lesen würde.
Wird es einen zweiten Teil geben? Marianne Erne schmunzelt. «Eigentlich war der Roman als einmaliges Projekt gedacht. Nun sind wir uns aber plötzlich nicht mehr so sicher.»
Vorerst steht aber eine Lesereise durch die ganze Schweiz an. Am Sonntag machen die Autorinnen in Lenzburg halt. «Sozusagen mein Heimspiel», freut sich Marianne Erne. «Ich freue mich sehr, den Lenzburgern das Buch vorzustellen.»
Café Littéraire – Lesung «Kruttingen. E Dorfgschicht»: Sonntag, 21. Januar, 11.15 bis 12.45, Aargauer Literaturhaus, Lenzburg.
Haben gemeinsam einen Roman geschrieben: Kathrin Probst, Marianne Erne, Katharina Wehrli und Patricia Jäggi.Foto: Isabel Garcia de Puglisi