Wahlkommentar Man kann die Beweggründe der Wählerinnen und Wähler interpretieren. Man kann sie nachvollziehen, auswerten und kommentieren. Die «AZ» titelte vor vier Jahren: «Die grüne Welle erreicht den Aargau». Heuer dürfte man wohl sagen: «Die Grünabfuhr erreicht den Kanton». Auch im Bezirk Lenzburg war das am Sonntag spürbar. Während die Regierungsratsparteien und die EDU zulegten, gehören Grüne, Grünliberale und auch die EVP zu den Verliererparteien. Bei zwei der drei eine Konsequenz aus uninspirierter Themenwahl. Ein «Notstand» ist kein nachhaltiges politisches Thema. Der Klimanotstand wurde vom Asylnotstand abgelöst wie die Schreibmaschine vom Computer.
Es fehlten wohl die Katastrophen
Während man in diesem Jahr durch Angstkampagnen eher bei Themen wie Migration und Wirtschaft punkten konnte, fehlte den Umweltparteien auch auf Kantonsebene ein Fukushima oder eine Greta Thunberg. Ohne eine Prise Angst und Schrecken scheinen sich Wahlen nur schwer gewinnen zu lassen. Noch schwieriger wird es dann, wenn es besonders viele Parteien sind, die antreten. Während die SP auf das Gesundheitswesen pokerte und die bürgerliche «Pflästerlipolitik» thematisierte, setzte die SVP voll auf Einwanderung und Sicherheit. Beide Parteien stellten dem Kanton kein gutes Zeugnis aus – und hatten damit Erfolg.
Immer mit der Ruhe
Mitte und FDP setzten auf Ruhe, Pragmatismus und Stoizismus. Wohl willkommene Haltungen in wilden Zeiten. Grüne Schlagwörter wie der Klimanotstand, die Klimakatastrophe oder die letzte Generation sind den Wählerinnen und Wählern wohl einfach mittlerweile zu fade. «Ja, ja, ja; die Welt geht unter. Wir wissen es langsam» scheint das ermüdete Credo bei weiten Teilen der Bevölkerung zu sein. Die Menschen wollen wieder regiert anstatt bevormundet und belehrt werden. Wohl aber gilt es zu erwähnen, dass die grüne Regierungsratskandidatin Ruth Müri zumindest in Lenzburg besser abschnitt als ihre beiden bürgerlichen Konkurrenten Martina Bircher und Beat Flach. Warum die GLP bei der Regierungsratswahl Ruth Müri in die Beine grätschte, verstehe dabei, wer will. Parteigeplänkel scheint dann am Ende doch wichtiger zu sein als der Klimanotstand oder die Frauenfrage. Dieses ewige «Wir hätten gerne eine Frau gehabt, aber keine wollte» ist ja auch nur eine leere Phrase. Wenn ich eine Frau haben will, mich aber keine möchte: Liegt das echt an mir oder an den Frauen? Die zusätzlichen EDU-Stimmen sind vielleicht eine göttliche Fügung. Nun ja, Gott sei Dank sind die Wahlen nun aber fürs Erste vorbei. Es sei denn, es ereignet sich noch Haarsträubendes wie das Zähldebakel in St. Gallen. Aber wir sind ja zum Glück im Aargau.