Besinnung
Es ist Advent, die besinnliche Zeit im Jahr. Und weil es auch die Zeit des Wünschens ist, wünsche ich mir, dass wir die kommenden Wochen zum Anlass nehmen, uns der Besinnung zuzuwenden.
Gerade jetzt würde es uns guttun, uns darauf zu besinnen, dass wir nicht allein auf dieser Welt sind und dass unsere Handlungen Auswirkungen auf unsere Mitmenschen haben. Rundherum erstarken politische Kräfte, die Eigeninteressen bedienen und das «Andere» bekämpfen. Sie sind erfolgreich, weil genug Wahlberechtigte überzeugt sind, ihnen würde etwas weggenommen, wenn andere gleiche Rechte haben. Und weil es genug Menschen gibt, die glauben, dass es sie nicht interessieren muss, was politisch passiert. Die Welt hat sich bisher schliesslich immer weitergedreht, egal, wer Mehrheiten gewonnen hat. Ich wünsche mir, dass sich alle, die so denken, darauf besinnen, was für ein Privileg es ist, dass sich ihre Welt immer weiterdreht. Der Ausgang einer Wahl oder einer Abstimmung kann für andere Menschen bedeuten, dass die Selbstbestimmung über den eigenen Körper infrage gestellt wird, dass ihre Heimat immer stärker von Naturkatastrophen bedroht ist, dass ihre Existenz nicht anerkannt wird, dass sie nicht mehr wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen oder dass sie kein Aufenthaltsrecht in einem sicheren Land haben.
Ich wünsche mir, dass wir uns darauf besinnen, dass Privilegien auch Verantwortung mit sich bringen. Mit dem Entscheid, wen man wählt, und genauso stark mit dem Entscheid, politische Rechte nicht wahrzunehmen, gestaltet man nicht nur die eigene, sondern auch die Welt der Mitmenschen. Ich wünsche mir, dass wir uns darauf besinnen, dass wir alle Verantwortung dafür tragen, in was für einer Welt wir leben. Nicht nur im Advent, sondern das ganze Jahr über.
Kathrin Steinmann, Buchhandlung Otz