Versicherungswahnsinn in der Turnhalle
Landschaftstheater Patti Baslers Theaterdebüt bringt Molière nach Lenzburg – mit einem Augenzwinkern und viel Personal.

Ein Theaterstück, das in einer Turnhalle spielt, eine Krankenkasse zur Hauptfigur macht und sein Publikum nach Versicherungsstatus platziert? Klingt schräg – und ist es auch. Das Landschaftstheater Lenzburg hat sich für seine diesjährige Produktion ganz dem Thema Gesundheit verschrieben und dafür niemand Geringeres als Patti Basler verpflichtet. Die Kabarettistin hat mit «Die eingebildete Krankenkasse» ihr erstes Theaterstück verfasst – frei nach Molières Klassiker «Der eingebildete Kranke».
Die Vorlage von 1673 liefert den Rahmen, der Inhalt ist allerdings ganz im Hier und Jetzt verortet: Statt eines leidenden Hypochonders steht bei Basler die fiktive Krankenkasse LenzoSana im Zentrum. Deren CEO Marianne Wille (gespielt von Petra Lüscher) jagt dem Ideal der totalen Gesundheit ebenso verbissen nach wie ihre Angestellten, die sie zum Schrittzählen und zur Selbstoptimierung antreibt. Inspiration soll von aussen kommen – in Form einer illustren Schar an Coaches, die mehr reden als helfen.
Da treten etwa ein prustender Alphacoach, eine übermotivierte Homöopathin oder ein aalglatter Pharmalobbyist auf den Plan. Und wie bei Molière bleiben die Diagnosen oft hohl, die Heilmittel fragwürdig. Der Text greift viele aktuelle Themen auf – von Achtsamkeitswahn über Kostenexplosionen bis zur Wellness-Industrie – mit einer Portion Wortwitz, die mal zündet, mal verpufft.
Viele Stimmen, viele Szenen
Die Inszenierung von Livio Beyeler lebt von ihrer Spielfreude und dem engagierten Ensemble. Mit siebzehn Figuren ist viel los auf der Bühne – vielleicht ein bisschen zu viel. Die Handlung rückt dadurch etwas in den Hintergrund, einige Szenen wirken episodenhaft, der dramaturgische rote Faden bleibt vage. Dennoch: Die Idee, Molière in die Gegenwart zu holen und durch die Linse einer Krankenkasse zu betrachten, überzeugt.
Ein besonderes Element ist die technische Umsetzung. Um in der Turnhalle des neuen Traitafina-Turnzentrums eine gute Verständlichkeit zu garantieren, bekommt das Publikum Kopfhörer. Die ungewohnte Hörsituation braucht ein wenig Eingewöhnung – gelegentlich rauscht oder doppelt es leicht –, funktioniert insgesamt aber erstaunlich gut und ermöglicht eine konzentrierte, fast intime Hörtheater-Erfahrung.
Auch die dritte Vorstellung am Sonntagabend war restlos ausverkauft – 87 Plätze, verteilt auf die Kategorien «allgemein», «halbprivat» und «privat» versichert. Ein charmantes Detail, das augenzwinkernd die Schweizer Gesundheitsrealität spiegelt.
«Die eingebildete Krankenkasse» wird noch bis zum 29. Juni jeweils freitags bis sonntags im Traitafina-Turnzentrum Lenzburg gespielt. Es gibt noch Tickets – ein Besuch lohnt sich.