Kapitän, Elektriker und Zahlenbeiger
Hallwilersee Heute ist Schluss. Manfred Siegrist geht bei der Schifffahrtsgesellschaft Hallwilersee nach 46 Dienstjahren in Frühpension. Er hat angefangen als Hilfskassier und ist heute Stellvertreter des Geschäftsführers.
Am letzten Sonntag hat er als Kapitän letztmals eine Kursfahrt gesteuert. Eine spezielle. Denn alle Angestellten und alle Pensionierten der Schifffahrtsgesellschaft Hallwilersee (SGH) waren dazu eingeladen. Ab heute Donnerstag gehört Manfred Siegrist zur zweiten Gruppe.
Nach fast 46 Dienstjahren geht Siegrist in Frühpension – «um mehr Zeit für mich zu haben». Garten, Reisen und Füsse hochlagern nennt er als künftige Aktivitäten. Ein kleines Hintertürchen lässt er offen: «Wenn man mich dringend braucht, helfe ich schon aus.»
Angefangen als Hilfskassier
Für den in Seon aufgewachsenen und in Seengen heimatberechtigten Siegrist war die Berufswahl ein schwieriges Unterfangen. Lokführer oder Matrose auf dem Meer waren jene Alternativen, die im Vordergrund standen.
Gekommen ist es anders. «Ich machte eine Stromerlehre. Und habe schon im zweiten Lehrjahr hier angefangen.» Wie alle Teilzeit-Mitarbeiter begann er am 15. August 1976 als Hilfskassier. Flugs arbeitete er sich hoch, nahm Fahrstunden, wurde Schiffsführer, später Kapitän.
Parallel dazu folgten seine Einsätze am Ufer. 1983 wurde er vom damaligen Geschäftsführer Hans Häfeli als dritter Festangestellter eingestellt. Von seiner Ausbildung her kümmerte sich «Mani» Siegrist ums Elektrische der fünf Schiffe der Hallwilerseeflotte. Und erlebte viele fundamentale Wandel: «Die ‹Brestenberg› war das erste Schiff mit einem Starkstromnetz an Bord.»
Als klassischer Allrounder stand Siegrist auch im Büro seinen Mann. In seinen Anfängen gab es in der Werft noch kein Telefon. Um die Administration zu bewältigen, setzte er in den ersten Jahren seinen privaten PC ein. Berufsbegleitend absolvierte er die Handelsschule und war damit prädestiniert, bei der SGH «die Verwaltung aufzubauen», wie er im Geschäftsbericht 2021 gewürdigt wird.
Heute erinnert er sich zurück an die Zeit, als es noch Kartonbillette gab und die SGH zu den grössten Privatkunden der entsprechenden Lieferfirma gehörte. Inzwischen hat hier die Elektronik Einzug gehalten. Alle Tarife müssen auf den Verkaufsterminals programmiert werden. «Eine Tariferhöhung muss heute lange im Voraus angekündigt werden.» Siegrist macht dazu Vorschläge – solche, die praxisgerecht sind und vom Verwaltungsrat nur noch bestätigt werden müssen.
«Die Bürokratie hat in den letzten Jahren zugenommen», hält Siegrist, inzwischen längst zum Stellvertreter des Geschäftsführers avanciert, fest. Er meint damit nicht nur das Ticketwesen, sondern auch die Wartung der Schiffe: «Es braucht viele und genaue Rapporte – fast wie im Flugwesen.»
Geschäftsführer Ueli Haller schätzt seinen Vize: «Er ist offen und hilfsbereit. Und immer da, wenn man ihn braucht.»
Halb Bürolist, halb Kapitän
Während seinen letzten Jahren teilte Siegrist sich die Arbeit etwa hälftig auf: 50 Prozent im Steuerhaus, 50 Prozent im Büro. «Im Frühling, zum Start der Kursfahrtsaison, freut man sich auf das Fahren auf dem See. Im Herbst wieder mehr aufs Büro.» Der jeweilige Wechsel vor den Computer bereitete Siegrist keine Sorgen: «Die Zahlenbeigerei hat mir immer Spass gemacht.»
Doch nun, mit wehmütigen Erinnerungen an 46 Dienstjahre, lässt «Mani» gerne mal eine Fünf gerade sein.