Salzkorn: Vorurteile
Einige Berufe sind angesehener als andere. Wer sagen kann: «Mein Sohn ist Pilot», wird ein ehrfürchtiges Raunen ernten, während die meisten Eltern nicht gerade in Begeisterung ausbrechen, wenn die Tochter verkündet, dass sie Putzfrau werden möchte. Aber warum eigentlich? Wann und wieso haben wir entschieden, dass manche Berufe «besser» sind als andere? Schliesslich braucht es alle. Das Thema, welcher Lohn für welchen Beruf angemessen ist, lasse ich jetzt mal aussen vor, aber auch hier habe ich einige Fragezeichen.
Jeder Mensch hat seine Stärken, seine Schwächen und seine Interessen. Es gilt, dazu den passenden Beruf zu finden und nicht umgekehrt, den Menschen für einen bestimmten Beruf passend zu machen. Heute werden viele Kinder regelrecht in die Bezirksschule gezerrt und zu einem Studium gedrängt, das sie gar nicht wollen. Handkehrum stellt sich die Frage, ob es wirklich eine gute Idee ist, dass der Sohn mit zwei linken Händen und schlechtem räumlichem Vorstellungsvermögen die elterliche Schreinerei übernimmt.
Metzger mögen Tiere nur auf dem Teller und stehen den ganzen Tag im Blut. Maurer müssen vor allem Bier trinken und fluchen können. Und die Arbeit von Psychologen besteht darin, verständnisvoll zu nicken und ein bisschen «Hebsch-mi, Gspürsch-mi» zu machen. Unsere Vorstellung von Berufen basiert häufig auf Vorurteilen, die wir irgendwo aufgeschnappt und ohne zu hinterfragen übernommen haben. Aber wer von uns hat schon einmal als Metzger, Maurer oder Psychologe gearbeitet und weiss, was diese Berufe wirklich beinhalten? Viele Tätigkeiten werden massiv unterschätzt. Sowohl was die Karrieremöglichkeiten als auch das erforderliche Fachwissen angeht. Bevor wir uns also ein Urteil erlauben oder anderen in die Berufswahl hineinreden, täten wir gut daran, uns erst seriös zu informieren und hinter die Fassade zu blicken.
Deborah Bläuer, Redaktorin