Eine Handvoll Münz oder 100 Franken
Über 1100 Freiwillige waren über die Festtage in der Region für Nez Rouge im Einsatz. Robert Läuchli war einer davon. Seit 18 Jahren verbringt er seine Festtage damit, Leute, die nicht mehr fahrtüchtig sind, sicher nach Hause zu bringen.
Um 21.30 Uhr treffen die ersten Freiwilligen im Hub von Nez Rouge Aargau, der Dreifachturnhalle in Lenzburg, ein. Über 190 Freiwillige sind am Silvesterabend für Nez Rouge Aargau im Einsatz, ganze 88 Zweierteams sind unterwegs, um nicht mehr fahrtüchtige Fahrzeuglenker in den eigenen Autos nach Hause zu fahren – dicht gefolgt vom Nez-Rouge-Auto. So ist das Nez-Rouge-Team sofort wieder einsatzfähig für den nächsten Auftrag. 504 Fahrten insgesamt kann Nez Rouge Aargau gegen Morgen verzeichnen – ein neuer Rekord!
Viele Freiwillige von Nez Rouge Aargau sind aber nicht nur am Silvesterabend im Einsatz, sondern den ganzen Dezember über. Auch Robert Läuchli ist einer davon. Seit 18 Jahren verbringt er die Festtage hinter dem Steuer oder in der Disposition für Nez Rouge Aargau. Ausserdem kümmert er sich um die Verpflegung der vielen Freiwilligen. Am grossen Tisch mit Brot, Salat, kleinen Snacks und Getränken dürfen sich die gemeinnützigen Helfer bedienen. Das wird geschätzt, «schliesslich sind die Nächte manchmal lang». An Sonntagen dauern die Einsätze bis 00.30 Uhr, von Montag bis Donnerstag bis 1.30 Uhr und an Freitagen und Samstagen bis zirka 3.30 Uhr. Am Silvesterabend sind die Fahrer sogar die ganze Nacht unterwegs. «Die Einsätze am Wochenende zehren am Schlafbedürfnis», weiss Läuchli. Dagegen helfe Kaffee und nach dem Einsatz nachschlafen. Alle Freiwilligen erhalten für das Benützen der eigenen Fahrzeuge eine Benzinentschädigung von 20 Rappen pro Kilometer, eine Natelnutzungs-Entschädigung und ausserdem ein Nachtessen im neuen Jahr.
Doch warum verbringt jemand seine Festtage freiwillig mit Autofahren, dazu noch gratis? «Seit ich für Nez Rouge im Einsatz bin, muss ich mir die Frage nicht mehr stellen, was ich über die Festtage mache», antwortet der 63-jährige Single Robert Läuchli, der von sich sagt, dass «auf der faulen Haut liegen» nicht seine Sache ist. «Dann werde ich ganz kribbelig.»
Für ihn ist Nez Rouge «einfach eine gute Sache». Er trinkt selbst gerne ein Glas Wein oder zwei, beispielsweise an seinem Geburtstag im Dezember. An dem Tag jeweils hat er Einsatzpause und profitiert ebenfalls manchmal vom Fahrdienst für die «Roten Nasen».
Neuer Kunde – neue Geschichte
Dank den Fahrdiensteinsätzen habe er den Aargau mittlerweile sehr gut kennengelernt. «Es ist zwar dunkel, wenn man unterwegs ist, aber man kommt trotzdem herum», nennt er die Vorzüge. Auch freut er sich jeweils besonders darüber, in den unterschiedlichsten Fahrzeugen unterwegs sein zu können. «Vom Dodge über den Porsche, den Oldtimer bis zum Smart kann einem alles unterkommen», veranschaulicht er die Palette.
Zudem schätzt er den Kontakt mit der angeheiterten Kundschaft. «Die Leute unter Alkoholeinfluss sind redselig, sie erzählen über ihre Erlebnisse im Ausgang, was sie gemacht haben oder stellen Fragen zu Nez Rouge», erzählt Läuchli. Probleme mit stark alkoholisierter Kundschaft habe er noch nie gehabt. «Ab und zu musste ich einen Zwischenstopp wegen Übelkeit einlegen», erinnert er sich. Dass jemand im Zickzack läuft, sei aber eine Ausnahme.
Viel hat sich verändert
Besonders Personen, die auf das Autobillett angewiesen seien, schätzten den Service von Nez Rouge, weiss Läuchli. «Diese Wertschätzung zeigen viele Kunden mit einem Trinkgeld.» 100 Franken seien keine Seltenheit, erzählt er. Aber auch «nichts» oder «eine Handvoll Münz aus dem Hosensack» hat er schon erlebt. Gibt es pro Kilometer einen Franken Trinkgeld, sei das «ein guter Schnitt für den Abend». Das Geld behalten die Freiwilligen aber nicht für sich. Es geht nach Abzug der Unkosten an gemeinnützige Institutionen.
Zu Nez Rouge gestossen ist Robert Läuchli per Zufall. Ich habe in einer Zeitung ein Inserat gesehen», erinnert er sich. Damals sei die Organisation noch wenig bekannt gewesen. Während für den Aargau an Silvester damals noch rund 15 Teams genügten, müssen heute mindestens 80 Teams im Einsatz stehen, um den vielen Anfragen gerecht zu werden. Aber nicht nur die Nachfrage hat sich seit Läuchlis Anfängen verändert. Auch auf der technischen Seite hat sich einiges getan. «Heute erleichtern Navigationsgeräte die Arbeit oder elektronische Einsatzpläne.»
Geht es nach Läuchli, bleiben die Nez-Rouge-Einsätze über die Festtage für ihn auch in Zukunft noch eine Weile fest eingeplant. Er lächelt verschmitzt: «Bis 70 mag ich schon noch mitmachen.»